Teil 1: Die momentane Job-Situation
Momentan bin ich im Rahmen von Hartz IV selbstständig tätig. Aber ich versuche alles, um mich als Freier Texter zu etablieren, da die Chancen auf eine Festanstellung eher gering sind. Und erste kleine Erfolge kann ich schon für mich verbuchen, habe seit dem Studium einige interessante Auftraggeber gefunden: Da wäre der AKAD-Hochschulverband, für dessen Hochschulmagazin ich schreibe, das Rathaus in Heidelberg, das gerade eine neuen Internetauftritt vorbereitet und dafür Texte benötigt, die Zeitschrift RehaTreff und der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding.

Die erfolgreichsten Kontakte basieren auf persönlichen Begegnungen und Beziehungen. Zu der Zeitschrift RehaTreff bin ich dadurch gekommen, weil der Chef meines Pflegedienstes ein ehemaliger Studienkollege des Chefredakteurs ist. Es entstand die Idee, dass ich einen Artikel über meinen Pflegedienst schreibe und diesen bei RehaTreff anbiete. Lothar Binding habe ich bei einem Vortrag angesprochen und er war sofort – ohne diese gelesen zu haben – an Texten von mir interessiert. Was erst einmal daran lag, dass ich auf meinen engen Bezug zu sozial- und behindertenpolitischen Themen und mein Know-how darin aufmerksam machte. Hinzu kam, dass ich es hier mit einem sehr offenen, authentischen und engagierten Politiker (unabhängig von der Partei) zu tun hatte. Als Experte vom Fach sind auch die Messen im Pflege- und Rehabereich für mich als Kontaktbörse sehr wertvoll.
Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Persönliche Kontakte sind alles!
Die E-Gebrauchsregel des Tages: Auftraggeber mit Engagement und Verstand sind gefragt.
Teil 2: Messebesuch in Stuttgart und Karlsruhe – Der Vergleich
Meine Erlebnisse und Erfahrungen der Pflegemesse in Stuttgart 2012 sowie der Reha-Messe REHAB 2013 möchte ich gerne im Vergleich erläutern.
Da ich mich im Bereich Pflege gut auskenne, finde ich schnell Gefallen an der Idee eines Freundes aus der der Medizinprodukte-Branche, mein Glück auf der Pflegemesse in Stuttgart zu versuchen. Ich bereite mich intensiv auf die Messe vor, unter anderem verschaffe ich mir einen genauen Überblick über die Aussteller und drucke einige Lebensläufe sowie Probeartikel zum Verteilen aus. Die Fahrt dorthin ist allerdings mit einigen Hürden verbunden, da der Stuttgarter Nahverkehr nicht gerade als rollstuhlgerecht zu bezeichnen ist. Die Absätze in die S-Bahnen sind oft zu hoch und der Abstand der Bahnsteige zur Bahn zu groß.
Auf der Messe finde ich mich dann schnell zurecht und im Pressebereich wieder. Dort bekomme ich die Info, dass es kostenloses Mittagessen gibt, was vor allem meinen Helfer freut. Die Stände der Pflegemesse beschränken sich auf eine große Halle. Ich überlege nicht lange und steuere gleich den ersten Stand an, wo eine Pflegebetten-Firma ausstellt. Bevor sich der Messe-Abgesandte der Firma versieht, spreche ich ihn auch schon an. Ich erkläre ihm, dass ich mich mit Pflegebetten gut auskennen würde und ich Freier Texter wäre. Dann schiebe ich noch hinterher, ob bei seiner Firma Interesse und Bedarf an Texten bestünde. Dieses Vorgehen ruft die im folgenden Abschnitt beschriebene Problematik hervor:
Da die Geräuschkulisse sehr hoch ist und ich wegen meiner Beatmungsmaske etwas schlechter zu verstehen bin, ist eine Unterhaltung für mich ziemlich mühsam. Manchmal hätte ich echt gerne ein MEGAPHON! Hinzu kommt noch, dass sich einige Firmenvertreter in das letzte Eck ihrer Stände verkriechen, um bloß nicht in ihrer Ruhe gestört zu werden. Aber immer noch besser, als ohne Verstand und Motivation eine Unterhaltung zu führen. Denn wer sich mit einem Rollstuhlfahrer unterhält, ist gelegentlich gut beraten, sich etwas herunter zu beugen oder in die Hocke zu gehen. Gott sei Dank gibt es einige aufgeschlossene Firmenvertreter, die das beschriebene Prinzip tatsächlich anwenden, mir geduldig zuhören und nicht abgeneigt scheinen. So habe ich beispielsweise die Möglichkeit, mit der Inhaberin eines kleinen Verlages zu sprechen, die sich sehr interessiert an kreativen Texten zeigt. Deshalb fahre ich zumindest mit einem kleinen Auftrag nach Hause.
Die Anfahrt zur Messe in Karlsruhe läuft eindeutig besser und angenehmer. In die S-Bahnen kommt man im Rhein-Neckar-Kreis als Rollstuhlfahrer über eine simple Klapprampe ganz einfach hinein. Am Hauptbahnhof stehen Shuttle-Busse bereit, die den Transfer zur Messe sehr vereinfachen. Wenn man dann noch von engagierten Fahrern, die ihre Gesangskünste zum Besten geben, gefahren wird, beginnt der Messetag schon mal sehr gut! Auch in Karlsruhe komme ich bequem durch den Presseeingang in die Besucherhallen. Dort ist wesentlich mehr los wie in Stuttgart, dennoch kommt es mir nicht so laut vor – wahrscheinlich weil ich es von Stuttgart noch gewohnt bin. Die REHAB entspricht meinen Bedürfnissen und Interessen als E-Rollstuhlfahrer wesentlich mehr. Ich treffe auch ein paar bekannte Gesichter, die REHAB ist eine große Plattform für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, darunter viele Rollstuhlfahrer.
Dieses Mal spreche ich nicht so viele Firmenvertreter an den Ständen an und vermeide es, unvermittelt den Grund meines Gesprächs zu erwähnen. Ich überlege mir genau, was ich sagen will und wo es Sinn macht, mit jemandem zu sprechen. Dieses Mal bin ich besser vorbereitet, habe Visitenkarten und Hefte dabei, in denen Artikel von mir veröffentlicht sind. Ich bin gespannt, wie die Resonanz diesmal ausfällt. Ohnehin ist die Frage, ob es sinnvoll ist, auf einer Fachmesse seine Dienste als Freier Journalist anzubieten. Meine Journalisten-Kollegin sieht es eher skeptisch, da viele Hersteller schon eine eigene Presseagentur für solche Arbeiten engagiert haben und auf den Messeständen meistens nicht die richtigen Ansprechpartner vorzufinden sind. Ich gebe ihr teilweise recht, denn für Autoren einer Zeitschrift wie RehaTreff ist die Messe vor allem als Ideenbörse und Impulsgeber für spätere Artikel sowie zur Kontaktpflege wichtig. Aber das Beispiel Stuttgart zeigt, dass es auch positive Ausnahmen gibt und keine Mühe gänzlich umsonst ist.
Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Eine Messe gibt einiges her – mit einer guten Vorbereitung und klaren Zielsetzung.
Die E-Gebrauchsregel des Tages: Der richtige Blickwinkel und die nötige Sensibilität ist entscheidend.
Teil 3: Fachlicher Überblick – Was gibt es Neues?
Neben der Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, waren beide Messen für mich genauso wie für andere Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderung auch als Informationsplattform sehr wichtig. Von meiner Kollegin bekomme ich zu hören, dass die REHAB dieses Jahr nicht so viel zu bieten habe: Kaum Neuheiten oder spektakuläre Hilfsmittel und ein schwächeres Rahmenprogramm. Es besteht die Vermutung, dass die Motivation beim Messebetreiber dieses Mal nicht ganz so hoch war, da er die Messe ab nächstes Jahr an einen anderen Betreiber verkauft hat. Dennoch will ich mir selbst ein Bild machen. Den Golfparcours inklusive Paragolfer für mobilitätseingeschränkte Golffans finde ich jedenfalls klasse. Auch ein Strandrollstuhl mit riesigen Reifen, einen Strandliegestuhl und Strandrollator, der so genannte JOB Walker, finden meinen Zuspruch.


Es werden inzwischen viele Möglichkeiten ausgeschöpft, um Rollstuhlfahrern eine sehr individuelle Freizeitgestaltung zu ermöglichen. Für die Sportler unter den Rollstuhlfahrern steht ein Handbike und dazugehörigem Rollstuhl mit Reifen fürs Gelände bereit. Den Segway-Rollstuhlfahrer als Apache für befestigte Straßen und Sitting Bull mit Spezialbereifung fürs Gelände finde ich echt heiß. Inzwischen gibt es übrigens einige Reiseanbieter, die interessante barrierefreie Reisen anbieten. Schön und gut, aber was machen die klassischen Hilfsmittel und Alltagshilfen, um die Behinderung auszugleichen und ein Leben mit ihr zu vereinfachen.


Als E-Rollstuhlfahrer interessieren mich natürlich die Hersteller von E-Rollstühlen: Hier bleibe ich an der neusten Version des E-Fix von Alber hängen, da ich dieses Modell in seiner Urversion vor 15 Jahren gefahren habe. Ich bin erstaunt über den enormen zwischenzeitlichen Fortschritt. Danach lasse mir den E-Rollstuhl von Permobil mit sechs Rädern erklären, der tatsächlich auf einer Stelle drehen kann. Raffiniert, aber ich finde meinen E-Rollstuhl wendig genug. Die E-Rolli-Teststrecke der Firma Etac, die den Nachfolger meines E-Rolli-Modells herstellt, würde ich am liebsten ausprobieren, aber der ausgestellte Nachfolger sieht so instabil aus, dass ich lieber weiterfahre. Meine nächste Station ist die Firma Seats, die mit einer geeigneten Technik einen passgenauen Schaumstoffabdruck für die Rollstuhlsitzschale produzieren kann. Für mich, der wegen seines Körperbaus und den fehlenden Fettpolstern auf ein weiches Ersatzpolster angewiesen ist, ein genialer Ansatzpunkt. Am Start sind auch einige Autoumrüster, die Großraumfahrzeuge mit Rampe/Hebebühne und Befestigungssystem anbieten oder aber eine Limousine mit Einstiegshilfe und dem mittlerweile bewährten Gasring.


Dann komme ich zu den besonders interessanten Kommunikationshilfen für in der Mobilität sehr eingeschränkte Personen wie mich. Die Aussteller haben nichts Revolutionäres zu bieten, denn die umfangreiche Bedienung von elektronischen Geräten wie Fernseher, Stereoanlage und Telefon in der eigenen Wohnung durch eine Umfeldsteuerung ist nicht neu. Die Frage ist jeweils nur, ob die Krankenkasse bezahlt. Dass die neue Generation der Umfeldsteuerung RolliX einen Bildschirm hat, der hervorragende Kontraste hervorbringt und sehr gut lesbar ist, reißt mich nicht gerade vom Hocker. Mit meinem System komme ich sehr gut klar. Schon eher spricht mich das neue Feature an, das per Schreib-Applikation SMS über das Smartphone versenden kann und eine Kalender- und Notizbuch-Funktion beinhaltet. Als Planer vor dem Herrn fasziniert mich so was natürlich, dumm nur, dass ich handytechnisch nicht auf dem neusten Stand bin und kaum SMS schreibe. Im Notfall habe ich ja noch meine Helfer.

Wenig später höre ich im Vorbeifahren Bruchstücke eines Vortrages, bei dem es um Assistenzsysteme und technikunterstütztes Wohnen geht. Ein Mitarbeiter der Niwoge eG Wohnungsgenossenschaft schwärmt von sozialen Assistenzsystemen für die Wohnkonzepte der Zukunft. Obwohl das ein hochspannendes Thema für mich ist, bekomme ich kaum mehr etwas mit, ich bin einfach nicht mehr aufnahmefähig. Und als der gute Mann davon anfängt, dass sein Unternehmen nun Pflegestützpunkte in die Wohnprojekte integriert, schalte ich komplett auf Durchzug und gebe Vollgas. Denn in meinem Wohnhaus gehört das schon lange zum Standard und ich habe sowieso mein eigenes Assistenzteam am Start.
Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Auf einer Reha-Messe finden Rollstuhlfahrer nichts, was es nicht gibt.
Die E-Gebrauchsregel des Tages: Man glaubt kaum, wie viel High-Tech in einem Rollstuhl und anderen technischen Hilfmitteln steckt.