Ein Schloss zum Verlieben

Es ist ziemlich praktisch, wenn sich der Bahnhof eines weit entfernten Reiseziels unweit von der gebuchten Unterkunft befindet. Besonders Reisende mit viel Gepäck und eingeschränktem körperlichem Durchhaltevermögen wissen das zu schätzen. Deshalb bin ich trotz verhältnismäßig entspannter Anfahrt sehr erfreut, dass das Intercity-Hotel zu Schwerin direkt am Hauptbahnhof liegt. Der Zugang zum Hoteleingang über eine äußerst schmale Rampe mit Rechtskurve stellt durchaus eine kleine Herausforderung an meine Fahrkünste. Dass es einen bequemen Nebeneingang für Rollstuhlfahrer gibt, verrät uns die Rezeption erst am letzten Tag. Abgesehen davon sind die Mitarbeiter sehr bemüht, vor allem was mein Problem mit dem Bad meines Zimmers angeht. Wieder mal ist das WC für meinen Toilettenstuhl zu hoch, aber mithilfe des sehr engagierten Haustechnikers lösen wir das Problem ganz einfach mit einer großen Holzplatte unter dem WC. Für den morgendlichen „Toilettengang“ brauche ich trotzdem beide Assistenten, da man den Toilettenstuhl anheben muss. Dies ist gleichzeitig ein sehr gutes Argument dafür, wieso ich auf Reisen zeitweise zwei Assistenten zur gleichen Zeit benötige. Wir machen ein Beweis-Video für das Sozialamt 🙂 wer weiß, für was das Video später noch gut ist!

Am ersten Abend haben wir aber noch eine andere Hürde zu überwinden. Von der Organisatorin des Beatmungs-Workshops bin ich als Referent zum Abendessen eingeladen. Wir wählen einen „Italiener“ mit leckeren Gerichten aus, der drei Stufen hat. Davon lassen wir uns allerdings nicht abschrecken, da der Inhaber höchst selbst sofort Unterstützung verspricht. Nachdem das halbe Küchenpersonal und ein sehr netter Gast im Restaurant zusammengetrommelt sind, geht es relativ sanft abwärts. Ansonsten gibt es keine besonderen Vorkommnisse, Schwerin ist recht barrierefrei und rollstuhlfreundlich. Auch die Besichtigung des traumhaften Schlosses ist trotz einiger Kopfsteinpflaster soweit kein Problem! Als wir dann die besonders interessante Ebene mit dem Thronsaal in Angriff nehmen wollen, treffen wir auf eine etwas übervorsichtige Mitarbeiterin. Sie gibt unserem Vorhaben keine Chance, da mein Rollstuhl ihrer Meinung nach viel zu schwer und zu groß für den Treppenlift im obersten Stock ist. Ich bin mir da nicht so sicher, da ich schon mit einigen Treppenlifts gefahren bin und es eigentlich immer geklappt hat. Deshalb wird die Vorrichtung von mir vor Ort in Augenschein genommen und wenige Minuten später bin ich auf der Ebene des Thronsaals. So kann man sich täuschen…

Später kommen wir in einen kräftigen Gewitterschauer, finden aber zum Glück ein Restaurant, in das wir hineinflüchten können. Bei nur noch leichtem Nieselregen stellen wir uns an die Bushaltestelle und sind erleichtert, als wir im Bus sind. Das gute Gefühl ist leider nur von kurzer Dauer. An der nächsten Haltestelle steigt ein recht alter Mann mit seinem Rollator ein, der sich leider als egoistischer und rücksichtsloser Zeitgenosse entpuppt. Als er merkt, dass er nicht sofort an meinem Rollstuhl vorbeikommt, vollführt er ein Riesentheater und will auf der Stelle durch. Tobias versucht vergeblich, ihn zu beschwichtigen und wird langsam aber sicher böse. Um für Ruhe zu sorgen, fährt mich Tobias ein kleines Stück nach vorne, damit der „Alte“ vorbeikommt. Im Eifer des Gefechts ein gutes Stück zu weit und ich krache mit meiner Fußstütze gegen einen Pfosten. Sofort ist klar, dass mit meinem rechten Fuß etwas passiert ist. Ich ärgere mich wahnsinnig und kann einfach nicht anders, als diesen Mitmensch zu beschimpfen. Ich habe ja für gewöhnlich viel Geduld, aber irgendwann reicht’s! Die Schmerzen verschwinden durch den Ärger dummerweise nicht.

Mein Schmerzgel allein reicht nicht und als wenig später die Apotheken geschlossen haben, hilft mir zum Glück eine sehr nette Hotelmitarbeiterin mit Schmerzmittel aus. Die Schlossbeleuchtung können wir trotzdem vergessen – denke ich zumindest. Nachdem Tobias sich von dem ganzen Theater erholt hat, hat er eine tolle Überraschung für mich. Er schlägt vor, die Schlossbeleuchtung vom Hotel aus zu beobachten und mit Hilfe unseres Fotostativs zu fotografieren. Das sollte sich als super Idee erweisen und lässt mich meine Schmerzen zwischendurch vergessen!

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: die meisten Hürden sind überwindbar, aber nicht der Egoismus und die Starrköpfigkeit mancher Mitbürger!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: es ist mitunter hilfreich, sich auf die Erfahrungen eines E-Rollstuhlfahrers verlassen.

Nur Liegen ist schöner!

Es ist eine tolle Sache, wenn man als beatmeter E-Rollstuhlfahrer die Möglichkeit hat, für den Hersteller seines Beatmungsgerätes Praxisvorträge zu halten. Vor allem wenn es immer in eine andere interessante Stadt geht. Durch meine Vorträge auf Beatmungskongressen kam der Kontakt zustande. Wohl dem körperlich eingeschränkten Referenten, der so coole Übernachtungsmöglichkeiten wie in einer Münchner Vorstadt zur Verfügung gestellt bekommt. Dieses Mal ist Schwerin an der Reihe, was eine lange Zugfahrt nach sich zieht. Mit 2 Assistenzkräften sitze ich im ICE und bereits kurz nach Mannheim stellen sich starke Schmerzen an meinem rechten Rippenbogen ein.

Beim Vortrag in Schwerin

Während meinem Vortrag in Schwerin

Da kommt meinem Assistenten Tobias eine super Idee: „Du könntest dich doch einfach quer auf die Sitzreihe neben deinem Rollstuhl-Stellplatz legen“, meint er. Ich glaube, mich verhört zu haben, da mir dieses Vorhaben viel zu kompliziert und nicht gerade praxistauglich erscheint. „Wir haben noch über 5 Stunden Zeit!“, ermutigt er mich. Eigentlich hat er völlig recht und zu verlieren gibt es ja nichts. Eine kurze Planungs-Phase genügt, dann legen wir los: das Kopfkissen kommt auf das eine Ende der Sitzreihe und während meine Assistentin Veronika die Sitzflächen nach unten drückt, schwenkt Tobias mich aus dem Rollstuhl in die Waagrechte. Ich liege! Zuerst unbequem, dann werden meine Beine mit 2 Kissen, die ich sowieso dabei habe, unterpolstert. Jetzt nur noch eine Lösung für die Füße finden, die über die äußere Armlehne nach unten hängen. Hierzu muss das Beatmungsgerät als Fußstütze herhalten 🙂 für die Fahrgäste an Bord ist der Durchgang zwar etwas schmal, aber es geht. Ab und zu wird mein Fuß fast heruntergeworfen, aber das sind Nebensächlichkeiten. Auch dass 2 oder 3 Fahrgästen bei unserer „Spezial-Transportaktion“ Mund und Augen weit offen stehen. Das Gefühl, im Liegen Zug zu fahren, ist einzigartig… man schwebt förmlich durch die Landschaft, den Himmel und die Bewegung der Wolken immer fest im Blick!

Auf jeden Fall funktioniert das Liegen super und ich habe eine so lange Entlastungsphase, wie ich es mir nie hätte träumen lassen! Deshalb hören einige Pflegekräfte am nächsten Tag einen Vortrag von einem sehr entspannten Referenten über seine „Heimbeatmung in der Praxis“. Reinhören lohnt sich: Beginn der Beatmung und Selbstbestimmung bei Beatmung.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Es gibt immer eine Lösung, man muss es einfach nur machen oder machen lassen!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Jaaaaa, ein ICE-Abteil lässt sich auch zum Liegewagen umfunktionieren.

Und jetzt wird wieder in die Hände gespuckt… :-)

Am Freitagabend wird erst mal gefeiert, der Veranstalter lädt zur Kongress-Party ein. Diese findet in diesem Jahr außerhalb statt, im Muffat-Werk, nur ein paar Meter vom Hotel entfernt. Hier gehen in drei verschiedenen Räumlichkeiten Partys, Konzerte und weitere Veranstaltungen über die Bühne. Bis die Sause auch bei mir richtig ankommt, sind erst mal ein paar typische Hindernisse zu überwinden. Die Fahrt zur Party-Location ist mit übelsten Kopfsteinpflastern bestückt, was meine Ankunft aber glücklicherweise nur minimal verzögert. Dann geht es rein in den Schuppen 🙂 donnernde Musik kommt mir entgegen von einer Cover-Band, die kräftig einheizt. Bis ich zum leckeren Buffet komme, muss ich mich erstmal durch eine dicht gedrängte Menschenmenge hindurchkämpfen. Auch wenn mich der Kongresspräsident persönlich dabei unterstützt, sind solche Situationen für mich kein Vergnügen. Aber das nette Gespräch mit einem Hilfsmittel-Vertreter für Menschen mit Tracheostoma entschädigt mich ganz schnell wieder. Nach dem ersten Glas Wein komme ich langsam in Fahrt und bin geradezu euphorisiert, als Doktor Hirschfeld den Auftritt seiner exquisiten privaten Band ankündigt!

_MG_1068

MAIK-Party 2014: Wie immer beste Stimmung! Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Dann lässt er es mit ein paar coolen Songs ordentlich krachen. Ich suche mir eine Ecke, in der ich nicht ständig versehentlich angerempelt werde 🙂 Die Stimmung wird immer besser und immer mehr Frauen beginnen direkt vor mir zu tanzen. Als ein E-Rolli-Kollege mit quietschenden Reifen und Blinklicht begeistert Pirouetten dreht, gibt es auch bei mir kein Halten mehr. Gekonnt und in einem ganz bestimmten Rhythmus fahre ich mit meinem Gefährt hin und her, vor und zurück! Den Frauen scheint es tatsächlich zu gefallen und ich bin natürlich plötzlich voll in meinem Element. Dummerweise liegt mir meine Helferin schon länger in den Ohren, dass sie jetzt dann mal ins Bett möchte… Echt schade, aber ich kann sie gut verstehen und gebe dem Drängen bald nach. Vier Tage alleine mit mir unterwegs ist schon anstrengend, zumal sie auch eine gewisse Verantwortung für mich hat! Naja, außerdem soll man ja immer gehen, wenn es am schönsten ist 🙂 wir hauen also ab und im Hotelzimmer angekommen, überfällt auch mich die Müdigkeit.

_MG_0083-2

lebendige Diskussion: Die Analyse danach Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Am nächsten Morgen schicke ich meine Helferin erstmal zum Frühstücken, damit sie auch richtig fit ist, wenn sie mir beim Vortrag assistiert. Ich mache es mir noch ein bisschen gemütlich und lasse mir in groben Zügen meinen Vortrag durch den Kopf gehen. Klappt schon ganz gut, aber bei der Generalprobe fallen mir noch einige Ecken und Kanten auf… Etwas angespannt, aber nicht wirklich nervös fahre ich in Richtung Vortragssaal. Natürlich bin ich mal wieder zu spät, ich werde sogar schon gesucht 🙂 Das Gute ist, dass ich kaum mehr Zeit zum Nachdenken habe und sofort auf die Bühne fahre. Ich bin bei mündlichen Prüfungen und Referaten sowieso nicht besonders nervös, so dass ich dieses Mal den totalen Tunnelblick habe und kaum registriere, wer war alles im Publikum sitzt. Der Vortrag läuft bestens und zur Krönung lasse ich am Schluss mein Beispiel-Video laufen.

Mein Arzt Doktor Wiebel befindet zu Beginn seines Vortrag-Teils, dass der Inhalt des Videos eine sehr kreative Idee von mir gewesen sei. Eine größere Wertschätzung für meinen Vortrag kann es gar nicht gehen. Der Dritte im Bunde ist ein Pfleger, der einen querschnittsgelähmten Mann mit Mukoviszidose versorgt, ein echtes badisches Urgestein in alternativen Klamotten. Bis kurz zuvor wusste er gar nicht, dass er einen Vortrag halten soll, er war auf eine Diskussion eingestellt. Dafür schlägt er sich ziemlich wacker und setzt genau das um, was wir brauchen: ein Mann der Tat, der total authentisch wirkt und ein paar Situationen sehr realistisch rüberbringt. Danach kommt es sogar zu einer kleinen Diskussion. Da kann ich nur sagen, Ziel erreicht! Wenn ein Vortrag die Leute zum Diskutieren anregt, war er zumindest nicht schlecht und hat Interesse geweckt. Natürlich stimme ich sofort vehement zu, als sich Doktor Wiebel danach fragt, ob ich mit der Umsetzung unseres Vortrags zufrieden mit. Auf jeden Fall und es hat sich gelohnt, dass ich ihn überredet habe, dieses Jahr beim MAIK aufzutreten.

_MG_0608

Hochkonzentriert: Der Referent und seine Assistentin Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Danach führe ich noch ein paar sehr interessante Gespräche, um dann endlich die aktuellen Zwischenstände der Fußballbundesliga mit zu bekommen. Na toll, der VfB liegt natürlich mal wieder hinten… Als ich etwas später vom Hotelzimmer zurückkomme, um die zweite Halbzeit in voller Länge in der Hotellobby anzuschauen, sehe ich wohl eines der verrücktesten Spiele der Bundesliga-Geschichte. Nach dem Spiel denken die meisten Hotelgäste zwar, dass ich völlig bekloppt bin, aber immerhin gewinnt der VfB fünf zu vier!! Danach wird natürlich angestoßen auf meinen gelungenen Vortrag und nicht zu vergessen, den grandiosen Sieg 🙂 Spätestens am nächsten Tag morgens um zehn Uhr auf der S-Bahn-Etage des Münchner Hauptbahnhofs, werde ich in die raue Wirklichkeit zurückgeholt. Wir sind gut in der Zeit und trotzdem ist alles Makulatur, da beide Aufzüge nach oben in die Bahnhofshalle defekt sind. Da am Hauptbahnhof derzeit eine große Baustelle ist, fällt auch der alternative Lastenaufzug flach. Also, bitte nochmal einsteigen, eine Station zurückfahren und von dort aus zu Fuß bzw. zu Rad zum Hauptbahnhof fahren. Glücklicherweise fährt gleich eine Stunde später der nächste ICE, dessen Rollstuhlplatz sogar noch frei ist.

Special-Highlight für diesen Blog 🙂 Proben für das Vortrags-Video:

Versuch 1    Versuch 2     Versuch 3    Versuch 4     Versuch 5

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Es ist immer ein Erlebnis, Vorträge zu halten, vor allem mit coolen selbstgemachten Videos.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Zwei kaputte Aufzüge an einem Hauptbahnhof in Deutschland sind viel besser als ein streitbarer Lokführer-Streik.

MAIK 2014 – Beatmungskongress reloaded!

Als ich dieses Mal zum Kongress nach München fahre, nehme ich mir nicht vor, danach auf meinem Blog darüber zu berichten. Denn im Prinzip läuft ja alles gleich ab, nur der Inhalt meines Referats wird ein anderer sein. Und auch hier nichts Neues, ich habe es tatsächlich wieder geschafft, den Vortrag vorher nicht fertig zu bekommen… Sehr zum Leidwesen meiner Helferin, die mich zusammenfaltet, als mir in der Straßenbahn auffällt, dass ich meine kompletten Kongressunterlagen auf dem Schreibtisch vergessen habe! Sollte sich dann aber als problemlos erweisen 🙂 ach ja, mein Vortrag beschäftigt sich seit mit „Grenzen der Selbstbestimmung bei Beatmung“ in Kooperation mit meinem geschätzten und langjährigen Lungenarzt aus der Thoraxklinik Heidelberg Doktor Wiebel. Auf meinen Wunsch hin hat er sich bereit erklärt, mich in München vortragstechnisch zu begleiten. Der Vortragsblock gliedert sich in drei Teile. Die Grenzen der Selbstbestimmung bei Beatmung werden aus Sicht des Betroffenen, also von mir, aus Sicht des Arztes und eines Pflegers betrachtet.23102014154

Die Zugfahrt läuft reibungslos ab, auch die Fahrt mit der S-Bahn zum Hotel stellt kein Hindernis dar. Ich habe aus dem Fiasko von letztem Jahr gelernt (ich berichtete http://marcel-gibtgas.de/2014/02/07/maik-2013-klappe-die-erste-der-fluch-der-oeffentlichen-verkehrsmittel/). Im Hotelzimmer ist scheinbar alles wie gehabt, scheinbar… Bis wir zu unserem Schrecken feststellen, dass sich neben dem Bett keine Steckdose für mein Beatmungsgerät befindet sich. Also ab an die Rezeption: Verlängerungskabel eins ist viel zu kurz, die zweite Variante ist schon deutlich besser! Dennoch müssen wir ziemlich improvisieren, das Gerät muss aufs Bett und der Beatmungsschlauch nimmt fast die komplette Matratze für sich in Anspruch. Aber das war noch nicht alles: Zu meinem großen Entsetzen haben wir tatsächlich mein Infrarot-Schnittstelle für den Laptop vergessen… Das ist mein Zugang zur Außenwelt, dieses Teil ermöglicht es mir, den Laptop meiner Rollstuhlsteuerung zu bedienen! Das wird ein Spaß, so wohl für mich als auch meine Helferin. Sie darf jetzt alles machen, was ich in meinem Vortragsmanuskript verändern möchte. Immerhin ist sie fit am PC und macht sogar laufend Verbesserungsvorschläge 🙂 mit ein bisschen Humor und guten Willen kommen wir ganz gut voran.

23102014158Am nächsten Morgen komme ich tatsächlich pünktlich zum Eröffnungsreferat durch den super genialen Ex-Politiker Heiner Geißler. Schon weit über 80 und geistig noch kein bisschen müde! Auch von einer Grippe lässt er sich nicht aufhalten. Von den klaren Aussagen seiner Rede habe ich ja schon kurz auf meiner Facebook-Seite berichtet. Schon allein dieser Auftritt macht die Kongressteilnahme wieder zu einem Erlebnis. Danach wird der diesjährige Kongress-Award an eine Pionierin der Heimbeatmung, Dr. Angelika Bockelbrink, vergeben. Sie begann in den achtziger Jahren in der Münchner Einrichtung Stiftung Pfennigparade gegen alle möglichen Widerstände, Menschen mit Atemproblemen zum beatmen. Damals hielten die meisten Ärzte nichts von dieser Methode. Daher an dieser Stelle auch ein Hoch auf die vielen Betroffenen, die damals den Mut hatten, der Ärztin zu vertrauen. Das waren echte Pioniere, von denen ich und viele andere heute profitieren.

25102014159Mehr zufällig komme ich mit einem Pflegedienstleiter ins Gespräch, der mit seinem Dienst einige beatmete E-Rollstuhlfahrer versorgt. Wir unterhalten uns über die Leistungen der Beatmungspioniere, angelernte Assistenten und Selbstbestimmung. Beim Verabschieden lädt er mich noch ein, doch irgendwann mal in Koblenz vorbeizuschauen. Er möchte sich dann auf jeden Fall mit mir treffen und mir davor noch einige in seiner Tipps für. Das ist doch einer der wichtigsten Gründe, auf so einen Kongress zu fahren: Interessante Menschen zu treffen und sich auszutauschen, neue Sichtweisen und Impulse zu bekommen! Natürlich wäre es toll gewesen, wenn ich noch ein paar mehr Vorträge mitbekommen hätte, aber am wichtigsten ist halt erst einmal, dass der eigene Vortrag sitzt! Auf dem Hotelzimmer mache ich meine PowerPoint-Präsentation fertig, nur ein paar wenige Stichworte, das reicht völlig. Weniger ist schließlich mehr! So ein Vortrag lebt von den persönlichen Erfahrungen und prägnanten Beispielen und manchmal von einem selbstgedrehten Beispiel-Video. Dazu aber mehr im nächsten Blog-Eintrag!! 🙂

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Es gibt tatsächlich barrierefreie Hotelzimmer ohne Steckdose neben dem Bett…

Die E-Gebrauchsregel des Tages: In Sachen Pflege und Behinderung brauchen wir unbedingt wieder mehr Fachkompetenz der Politiker. Einer hat es schon vor vielen Jahren verstanden!

MAIK 2013 – Klappe die Dritte: Beatmungskongress als echter Zugewinn!

Als ich morgens aufwache, gehe ich im Bett meinen Vortrag im Kopf noch einmal durch und bin überrascht, wie gut es funktioniert. Frohen Mutes höre ich mir noch einen Vortrag von einem mutigen Menschen an, der mit ALS lebt, einer wirklich krassen Krankheit. Der Abbau von Körperfunktionen geht in einem wahnsinnig hohen Tempo voran. Das, was ich in 25 Jahren durchgemacht habe, musste er in fünf Jahren über sich ergehen lassen, denke ich mir. Nicht dass ich an dieser Stelle Mitleid schüren möchte, nachdenklich macht es mich trotzdem. Aber von den Tücken der ALS lässt sich dieser Mann nicht aufhalten, er macht das Beste aus seinem Leben und hat clevere Lösungen für manches Alltagsproblem gefunden. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Inklusion ALS-Kranker voranzutreiben. Und sein Hobby ist es, trotz der etwas schwierigen Begleitumstände sehr viel zu reisen. Das nötigt nicht nur Menschen ohne Behinderung, sondern auch mir ziemlich viel Respekt ab und es kann einen Lerneffekt haben. So war es jedenfalls für mich, da ich gesehen habe, dass ich die eine oder andere Möglichkeit noch gar nicht ausgeschöpft habe. Klar löst jeder seine Probleme ein bisschen anders und jeder muss letztlich seinen eigenen Weg gehen. Aber wer nur mit Scheuklappen herumfährt und vor sich „hinwurschtelt“ kommt keinen Schritt weiter. Und das Lernen sollte für mich noch weitergehen, vor allem was die Urlaubsmöglichkeiten für Schwerbehinderte angeht…

Münchener außerklinischer Intensiv Kongress November 2013

Oliver Jünke Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Bevor ich in den Kongresssaal fahre, wo mein Vortrag stattfindet, nehme ich auf meinem Zimmer die letzten Vorbereitungen vor. Auch meine Helferin macht sich besonders schick für den großen Auftritt 🙂 Alles klar, jetzt kann ich mich mit ihr sehen lassen 🙂 Zunächst hält meine Mitreferentin einen Vortrag über Inklusion und ihre persönlichen Erfahrungen damit. Endlich sehe ich sie einmal persönlich, zuvor haben wir nur über Facebook kommuniziert. Mein positiver Eindruck bestätigt sich, wirklich eine sehr nette Person. Dann ist da noch ein Geschwisterpaar mit Schwermehrfachbehinderung, das über ihre USA-Rundreise berichtet. Es ist der Wahnsinn, jeder im Saal ist schwer beeindruckt. Naja, den Respekt vor dem Fliegen habe ich nicht abgelegt, aber die Idee mit dem Schiff in die USA überzusetzen, finde ich äußerst reizvoll. Etwas abgefahren und ziemlich teuer, aber wieso nicht mal darüber nachdenken.

IMG_0666

Beeindruckender Vortrag Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Plötzlich wird mir bewusst, dass der Vortrag viel länger ging als geplant und ich weiß nun, was auf mich zukommt: Ich muss irgendwie bei den Zuschauern die Spannung aufrechterhalten und möglichst die Zeit wieder aufholen. Und es fängt schon mal gut an: Als ich mit Hinweis auf meinen Blog aufgerufen werde, ist den Zuhörern der Spaß deutlich anzumerken. Ich ziehe das Referat in „sage und schreibe“ fünfzehn Minuten durch. Und auch die Tatsache, dass sich mein selbsterstelltes Video nicht ausführen lässt, kann mich nicht aus der Bahn werfen. Ich und meine Helferin improvisieren einfach und führen den Inhalt des Videos live auf der Bühne vor. Als alles vorbei ist, bin ich schon etwas erleichtert, aber es hat vor allem großen Spaß gemacht! Danach ist nicht mehr viel geboten und ich mache mir auf dem Zimmer noch einen gemütlichen Abend.

Münchener außerklinischer Intensiv Kongress November 2013

Perfekte Vortragsassistenz Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Ich bin rundum zufrieden, der Kongress war ein voller Erfolg und hat mir einige neue Erkenntnisse und Kontakte gebracht. Einerseits Denkanstöße für interessante Artikel und andererseits einfach nur sehr nette persönliche Kontakte. Und das ist ja eigentlich genau das, was das Leben ausmacht. Es ist nicht entscheidend, welchen Umständen und Einschränkungen der Mensch unterworfen ist, sondern was er aus seinem Leben macht. Deshalb fand ich es schade, dass ich auf dem Kongress nur Betroffene, Pfleger, Therapeuten und Ärzte gesehen habe! Denn nicht nur mir hat es viel Mut gemacht, dass auch Menschen mit schwersten und noch größeren Beeinträchtigungen als bei mir etwas aus dem Leben machen, es positiv gestalten. Das wäre auch bei vielen Menschen ohne Behinderung so gewesen, auch wenn manch einer bei dieser Hightech-E-Rolli-Armada aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen wäre.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Menschen mit und ohne Behinderung können jeweils sehr viel voneinander lernen.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: E-Rollstuhlfahrer sind nicht gleich E-Rollstuhlfahrer.

MAIK 2013 – Klappe die Zweite: Die Begegnung mit dem „Selbstbestimmt Leben“-Papst

Von der S-Bahn-Station Rosenheimer Platz im Herzen Münchens ist es nur ein Katzensprung bis zum Kongresshotel. Es ist in eine Einkaufspassage integriert und ich fahre mit dem Aufzug zunächst alleine ins Foyer hoch. Nach wenigen Augenblicken läuft eine Frau in meine Richtung, die mir irgendwie bekannt vorkommt. Ich muss grinsen und sehr erfreut stellt sie sich als „die Maria“ vor. Echt gut, kaum bin ich hier, schon treffe ich meine liebe Maria Panzer. Und natürlich gibt sie mir gleich einen heißen Tipp: „Marcel, unser Redner des Impulsreferates, Adolf Ratzka, ist auch schon da! Hefte dich an seine Fersen, er ist sehr interessant und unglaublich nett.“ Aber erst einmal angekommen, meine Helferin ist inzwischen nachgekommen und wenige Minuten später bewundern wir unser großes Doppelzimmer mit zwei großzügigen Räumen, Doppelbett, Klappsofa und noch weiteren Gimmicks. Das kann man lassen, auch wenn die Betten hoteltypisch zu niedrig sind, ebenso wie das etwas zu hohe WC. Aber mit ein bisschen Kreativität und der Routine von meiner erfahrenen Reisebegleiterin bekommen wir das locker hin. Wäre nur das Wasser nicht dauerhaft viel zu heiß gewesen… Nach der fünften Beschwerde passiert endlich mal was, aber da sind wir auch kurz vor der Abreise 🙂 Sonst geht alles klar, nur dass ich mein Referat noch nicht mal fertig habe, die Powerpoint Präsentation fehlt noch, trotz Nachtschicht vor der Abfahrt. Aber es war einfach zu viel los…

IMG_0650IMG_0654Zunächst hat es oberste Priorität, dass ich das Referat von Adolf Ratzka mitbekomme. Ich bin echt gespannt, der Mann hat viel geleistet und durchgemacht. In den sechziger Jahren an Polio erkrankt, verbrachte er fünf Jahre im Krankenhaus, da es damals noch keine rollstuhlgerechte Wohnungen in Deutschland gab. Von Inklusion konnte zu dieser Zeit noch nicht einmal ansatzweise Die Rede sein. Aber er wusste sich zu helfen, orientierte sich an der Bewegung. „Independent Living“ (IL) in den USA und schaffte schließlich den Sprung ins Studentenwohnheim in den USA mit Beatmungsmaschine und Assistenten, die er selber anstellte. Er gilt für beatmungsabhängige Menschen, die selbstbestimmt leben wollen, als großes Vorbild – seit dem MAIK 2013 gehöre auch ich zu seinen großen Fans. Ich schaffe es wie zu erwarten nicht ganz pünktlich zum Vortrag. Im großen und gut gefüllten Saal höre ich die leise Stimme eines älteren Mannes im Rollstuhl, neben ihm der Behindertenbeauftragte Münchens und Maria Panzer. Zum Glück bekommen die Techniker das Mikrofon bald in den Griff und ich verstehe Dr. Ratzka bestens. Ich merke sofort: der Mann ist mal sowas von sympathisch und bodenständig, gleichzeitig aber auch sehr zielstrebig. Immer mal wieder streut er einen witzigen Spruch ein. Und das wichtigste dabei: er ist total authentisch. Noch während dem Vortrag fasse ich den Entschluss, dass ich mir diesen Mann nicht entgehen lasse. Ich spreche ihn nach der Veranstaltung sofort an und er findet es sehr spannend, wie ich mein „selbstbestimmtes Leben“ organisiere bzw. wie das Prinzip Individualhilfe funktioniert. Wir parken unsere E-Rollis genau nebeneinander, damit wir uns verstehen, echt cool, wie zwei Kumpels 🙂 Im Anschluss an unser Gespräch frage ich ihn, ob er mir seine Kontakt-E-Mail-Adresse gibt. Ohne zu zögern nennt er mir sie und fügt noch hinzu: „Ich bin übrigens der Adolf!“ Ich bin begeistert! Voller Enthusiasmus fahre ich schnell auf mein Zimmer und bastle eifrig an meinem Referat weiter, meine Multifunktionshelferin ist ebenfalls fleißig.

Münchener außerklinischer Intensiv Kongress November 2013

Dr. Adolf Ratzka. Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Ich werde natürlich nicht ganz fertig, obwohl mir meine Helferin das Essen vom reichhaltigen Buffet aufs Zimmer bringt. Schnell lasse ich mir das Menü reinschaufeln, ruhe mich mehr schlecht als recht aus und starte zum Vortrag meines geschätzten Arztes und Pneumologen Matthias Wiebel aus der Thorax-Klinik Heidelberg. Ein toller Mann, der die Selbstbestimmung der Patienten zu seiner obersten Maxime gemacht hat und der Meinung ist, dass es für jeden Patienten eine individuelle Lösung gibt. Dann kommt Lars Burde  aus Mannheim, der schon länger das Arbeitgebermodell praktiziert. Er beamt sich mit seinem Rollstuhl-Sitz nach oben und beginnt mit seinem Vortrag. Klar strukturiert, informativ, anschaulich und mit Witz. Sein Beatmungsschlauch verläuft über einen extra dafür angefertigten Arm direkt bis an seinen Mund. Der Clou: am Ende des Schlauches ist lediglich ein Babynuckel mit einem Loch befestigt, durch das er über den Mund dann Luft holt, wenn er sie braucht. Nach dem Vortrag spreche ich zunächst mit meinem Arzt, einer weiteren Persönlichkeit der „Selbstbestimmt Leben-Bewegung“ und danach mit dem Referenten. Er ist sehr nett und gibt mir einige Auskünfte. Natürlich verpasse ich es nicht, mir seine E-Mail-Adresse geben zu lassen. Mit Sicherheit ein guter Kontakt, denn Lars hat viel Erfahrung in Sachen Alltagsassistenz und Integration auf dem Arbeitsmarkt.

Münchener außerklinischer Intensiv Kongress November 2013

Dr. Wiebel. Foto: IHCC/Sebastian Heise

IMG_0679

                                                                                                                                              Danach ist es sehr spät, das angekündigte „Get together“ geht schon in einer Stunde los, also bleibt nicht mehr viel Zeit. Dennoch beschließe ich, nochmal kurz aufs Zimmer zu fahren und meinem Vortrag den letzten Schliff zu verpassen. Die Party wird ja wohl nicht schon nach einer halben Stunde wieder vorbei sein… Als ich später dazu stoße geht der Punk ab, einige Rollis und vor allem E-Rollis sind am Start, ich verstehe mein eigenes Wort nicht mehr. Natürlich spielt auch eine Band und zur Begeisterung aller gibt der Kongresspräsident Chrisoph Jaschke an der E-Gitarre sein Bestes. Nachdem das Spektakel vorbei ist, führe ich noch einige interessante Gespräche, der Spaß steht dabei im Vordergrund. Gut gelaunt und ziemlich müde falle ich ins Bett, bevor es am nächsten Tag zum großen Showdown kommt.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Konzentriere dich auf die interessanten Persönlichkeiten!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Menschen mit vierrädrigem Unterbau haben meist viel Lebenserfahrung und einige gute Tipps auf Lager!

MAIK 2013 – Klappe die Erste: Der Fluch der Öffentlichen Verkehrsmittel

Es geht mal wieder auf Städtetour, aber diesmal etwas anders. Ich bin mehr oder weniger geschäftlich unterwegs und mache das, was Journalisten und Autoren ständig tun müssen: Kontakte knüpfen! Das Helferinnen-Dreamteam von Berlin ist gesprengt, für drei Nächte wird gerade noch eine Helferin mit mir fertig. Ich bin als Referent zum Münchner außerklinischen Intensiv Kongress (MAIK), einem Beatmungskongress eingeladen. Ich werde über die Möglichkeiten, den Alltag mit dem Beatmungsgerät zu gestalten, sprechen. Ermöglicht hat mir die Teilnahme der Kontakt zur lieben Pressesprecherin Maria Panzer vom Veranstalter, dem Beatmungsservice Intensive Home Care Consulting GmbH (IHCC). Grund ist mein Blog! Ich hatte nämlich angefragt, ob ich diesen in der von ihr redaktionell betreuten Zeitschrift der IHCC, „Gepflegt Durchatmen“, vorstellen kann. Sie war gleich sehr interessiert und mittlerweile ist sie ein großer und bekennender Fan meines Blogs. Und auch wenn sie das jetzt bestimmt nicht lesen möchte, aber die Frau ist einfach Spitze! Immer erreichbar, von ihr kommt immer sofort eine Antwort und sie hat mir gleich einige Tipps gegeben, um jobtechnisch weiter zu kommen. Als sie mich gefragt hat, ob ich auf dem MAIK referieren möchte, habe ich deshalb keine Sekunde gezögert.

Und im November ist es dann soweit, ich darf mal wieder nach München, in die Stadt mit den begnadetsten U- und S-Bahnfahrern. Zunächst gilt es, den Aufzug zur S-Bahn zu finden, was gar nicht so einfach ist. Die erste große Herausforderung wartet allerdings noch auf uns: Als die richtige Bahn einfährt, schaue ich – was ich mir in Heidelberg zwecks Nervenschonung schon länger abgewöhnt habe – wie gebannt auf den Abstand zwischen Bahnsteig und S-Bahn. Er ist ziemlich groß und ich zögere eine gefühlte Minute, bevor ich mich entscheide, hineinzufahren. Inzwischen hatte der ungeduldige Fahrer nichts Besseres zu tun, als mindestens drei Mal die Türe zuzuschlagen. Meine Helferin wird fast zerquetscht. Ich warte auf den nächsten Moment, in dem die Türe aufgeht und gebe vorsichtig Gas, sofort packen zwei hilfsbereite Menschen mit an. Natürlich donnert die Türe einmal kräftig gegen den Rollstuhl und eine wütende bayrische Stimme prustet etwas durchs Mikrofon. So, geschafft, ich bin drin, durchgesetzt gegen alle Widerstände  Aber jetzt kommt der Hammer: Der Fahrer macht eine Durchsage in äußerst flapsigem Ton: „So, dieser Spaß hat uns jetzt drei Minuten gekostet, aber is ja egal, ich bekomm es sowieso bezahlt!“ … Ich bin fassungslos über so viel Dreistigkeit und Diskriminierung allererster Güte, einige Fahrgäste schütteln den Kopf. Ein Paradebeispiel, wie weit wir in Deutschland noch von der Verwirklichung der Inklusion entfernt sind … vor allem in manchen Köpfen!
Naja, ganz schuldlos an dem Desaster bin auch ich nicht. Denn wie ich mir vom Behindertenbeauftragten Münchens sagen lasse, müssen wir Rollstuhlfahrer einfach immer ganz nach vorne fahren zum Fahrer. Der legt dann eine Klapprampe an. Aber nur wenn er keinen Zeitdruck hat und nicht gerade schlechte Laune … 🙂

StraßenbahnNachdem wir im Hotel eingecheckt haben, verabrede ich mich mit einem alten Helfer, der in München studiert. Da alles etwas länger dauert, muss ich die ausgemachte Zeit zweimal korrigieren. Dann sind wir endlich in der Bahn, aber als wir am Marienplatz aussteigen wollen, ist der ominöse Spalt viel zu groß. Wir fahren eine Station weiter, steigen aus und entdecken zu unserer großen Freude, dass kein Aufzug vorhanden ist. Also, noch mal eine Station weiterfahren bis zum Hauptbahnhof. Mein alter Helfer muss nicht nur eine Zeitverzögerung in Kauf nehmen, er muss auch kurzfristig zu einem anderen Treffpunkt kommen. Immerhin war es dann ein gemütlicher Abend und die Aufregung schnell vergessen. Bei der Heimfahrt haben wir im Vorlauf in weiser Voraussicht und als gebrannte Kinder genügend Zeit eingeplant. Kurz bevor wir am Münchener Hauptbahnhof aus der S-Bahn steigen, ertönt in der Bahn eine Ansage, die uns völlig verwirrt: „Bitte rechts aussteigen, die Aufzüge befinden sich in Fahrtrichtung links.“ Wie bitte?? Genau das haben wir uns in diesem Moment auch gefragt. Die Erklärung ist banal, denn in München können die Fahrgäste entweder von links oder rechts in die S-Bahn ein- und aussteigen. Leider entscheiden wir uns für die falsche Seite ohne Aufzug, wäre ja auch zu schön gewesen. Wir warten auf die nächste Bahn, um dann durch diese hindurchzufahren, damit wir auf die andere Seite kommen. Gar nicht so einfach mit Klostuhl und viel Gepäck. Fast schon erleichtert kommen wir am Bahnsteig an und dürfen uns zur Belohnung anschnauzen lassen, dass wir ja viel zu spät dran seien. Seit diesem Moment weiß ich ganz sicher, dass ich nächstes Mal mit dem Kleinbus nach München fahren werde.
Ach ja, fast vergessen, ich war ganz nebenbei auch noch auf dem MAIK, einer grandiosen Veranstaltung! Aber davon berichte ich dann in Teil zwei.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: In München brauchst du Helfer/Innen mit sehr guten Nerven!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Merke: Sei froh, dass du nicht mit dem E-Rollstuhl Öffentliche Verkehrsmittel nutzen musst.