Der ganz normale Stadion-Wahnsinn!

Der ganz normale Stadion-Wahnsinn!

Es war ein toller Sommer, speziell für die Fußballfans. Einen deutschen WM-Sieg gibt es ja nicht alle Tage. Für die geschundene Seele eines VfB-Fans wie mir war es Balsam. Mittlerweile ist das Ereignis fast schon wieder zu weit weg und ich persönlich muss es mir ab und zu einfach wieder bewusst machen. Eigentlich traurig, aber kein Wunder bei dieser langen fußballfreien Zeit. Aber heute startet ja glücklicherweise wieder die Bundesliga. Bevor es losgeht, möchte ich einmal den „ganz normalen Stadionalltag“ eines Rollstuhlfahrers bzw. E-Rollstuhlfahrers erklären und ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern. Ich bin dafür wohl nicht das schlechteste Beispiel 🙂

Zunächst einmal geht es darum, überhaupt eine Rollstuhlkarte oder Dauerkarte zu bekommen, was beim VfB Stuttgart gar nicht so einfach ist. Die Plätze sind sehr begehrt und wenn dann noch ein mangelhafter Service hinzukommt (ich berichtete vor längerer Zeit), kann dies ein ziemlich aussichtsloses Unterfangen werden. Damit jetzt kein falsches Bild entsteht, es ist nicht alles schlecht und manches hat sich auch schon gebessert. Aber manchmal habe ich den Eindruck, dass ich es mit einem Provinzklub zu tun habe… Besonders blöd ist es für den, der einen super Dauerkartenplatz wie ich besitzt und es bei einem Umzug in eine neue Wohnung nicht nötig hat, einen Nachsendeantrag zu stellen. Das Ende vom Lied: Der VfB schickt eine Rechnung an die alte Adresse und ich merke zu spät, dass ich keine Post bekommen. Als ich nachfrage, bekomme ich die verheerende Auskunft, dass meine Karte schon im freien Verkauf ist. Ich habe natürlich sofort bei der Verkaufsstelle angefragt, aber da war die Karte schon weg. Für mich brach selbstverständlich erst einmal eine Welt zusammen…

fritzle mit schriftWie gut, dass es Sky gibt und ich eine E-Mail-Freundin habe, die eine Dauerkarte besitzt und im Winter meistens angenehmere Dinge vorhat, als bei einer wahnsinnigen Kälte ins Stadion zu sitzen und im schlimmsten Fall eine Niederlage mitzuerleben. Aber was rede ich da, für einen echten Fan wie mich sind Ausreden tabu. Es gibt ja Hilfsmittel, vom Fußsack über die Heizweste bis hin zum windabweisenden Regencape. Und wenn bei starkem Regen gar nichts mehr hilft, werden vom Service-Personal noch regenundurchlässige Müllsäcke verteilt.

Im zweiten Schritt geht es darum, ins Stadion zu kommen. Wer ein eigenes Auto hat, ist hier klar im Vorteil, gerade wenn man etwas weiter weg wohnt. Ansonsten ist der Durchschnitts-Fußballfan auf die Dienste der öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen, was unter Umständen einige Nerven kostet. Eine Verspätung der gewünschten Bahn ist keine Seltenheit. Wenn es dumm läuft, verpasst der gemeine Fan schon einmal den Anpfiff. Besonders schlimm ist es, wenn der Gegner dann schon ein oder mehr Tore geschossen hat und man erstmal einen herben Dämpfer bekommt. Natürlich gibt es auch öfter mal einen kaputten Aufzug am Bahnhof, der die Anfahrt erheblich verzögert. Nach dem Schlusspfiff wird es nicht viel besser, wenn gleichzeitig ganze Horden von Menschen zu den Ausgängen strömen. Rollstuhlfahrer müssen da schon ganz schön viel Geduld aufbringen, denn zunächst wird aus Sicherheitsgründen gewartet, bis einige Zuschauer aus dem Stadion draußen sind. Für meinen Begleiter ist es jedes Mal ziemlich mühsam, bis er sich mit mir zusammen den Weg Richtung Ausgang gebahnt hat. Richtig kuschelig wird es dann an der S-Bahn Haltestelle, da jeder so schnell wie möglich in die Bahn will. Wenn die Waggons zu voll sind, haben Rollstuhlfahrer keine guten Karten. Dennoch will ich selbstverständlich meinen Rückzug in die Heimat erwischen. Allerdings ist es nicht weniger stressig, mit dem Auto im Stau zu stehen. Auf jeden Fall müssen Rollstuhlfahrer Zeit!!! einplanen.

IMG_0718Was das genau bedeutet, mache ich euch jetzt an meinem Zeitplan deutlich, wenn ich an einem Spieltag ins Stadion fahre: Da herrscht Ausnahmezustand, alles muss sich dem Fußball unterordnen. Ich beschreibe jetzt einmal die Situation, wenn ich zuhause bei meinen Eltern bin. Entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten schlafe ich erst einmal gut aus, um nach dem Aufstehen schon sehr bald Mittag zu essen. Meine Mutter muss mir versprechen, dass sie das Essen schon früh genug ansetzt. Nach dem Essen ruhe ich mich nochmal aus, mein Vater lädt derweil den Rollstuhl ein und meine Mutter oder Schwester packen noch diverse Dinge ein, die ich alle brauchen könnte. Wenig später geht es mit dem Auto zur Haltestelle. Dann ist mein Vater erstmal entlassen und darf dann ca. 5 Stunden später wieder eingreifen, indem er mich vom Bahnhof abholt. Zuhause wird dann erstmal berichtet, sich ausgeruht und alle Spiele des Spieltags in Ruhe angeschaut. Danach geht bei mir echt nicht mehr viel.

Aber zumindest lohnt sich der Aufwand alle Mal, da auch mein neuer Platz von Bianca sehr gut ist, nahe an der Mittellinie des Platzes. In Stuttgart besteht allerdings der Nachteil, dass der Überblick nicht so gut ist. In anderen, neueren Stadien, sitzen die Rollstuhlfahrer viel weiter oben und haben einen genialen Überblick.

05032011095Aber noch einmal zurück zur Situation wenn das Spiel vorbei ist. Diesem großen Drängen können Rollstuhlfahrer nur entgehen, wenn ihre Lieblingsmannschaft deutlich genug führt oder aussichtslos hinten liegt. Dann tut es nicht weh, ein paar Minuten früher zu gehen. Die Taktik, vor allen anderen dran zu sein, bewährt sich auch beim Pausengang zur Toilette oder der fest eingeplanten Stadionwurst. Der Begleiter, den man übrigens zum Nulltarif mit ins Stadion nehmen darf, sollte sich unbedingt 5 Minuten vor dem Halbzeitpfiff Richtung Kioskstand begeben. Beim Toilettengang handelt es sich um dieselbe Problematik. Wer nicht früh genug dran ist, muss sich auf eine längere Schlange gefasst machen. Allerdings gibt es zumindest in Stuttgart mittlerweile mehrere Toiletten für Behinderte und auch einen großzügig eingerichteten Raum zum Ausruhen oder Zurückziehen. Ich für meinen Teil wäre dafür viel zu nervös und muss jede Sekunde des Spiels ganz nah bei der Mannschaft sein. Den Saisonstart verfolge ich diesmal ganz unspektakulär mit Sky. Hauptsache der VfB gewinnt!!

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Hauptsache ganz nahe dran, egal um welchen Preis 🙂 Bei einem VfB-Sieg spielt das überhaupt keine Rolle!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Versuche alles, um einem Fußballfan im Rollstuhl am Spieltag keine Steine in den Zeitplan zu legen.

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Der ultimative VfB-Wutausbruch

Eines schönen Mittags sitze ich zu Hause bei meinen Eltern auf der Terrasse und lass es mir gut gehen. Eigentlich bin ich total entspannt und mich kann nichts aus der Ruhe bringen, wäre da nicht eine Sache, die ganz tief in meinem Inneren rumort. Es ist das leidige Thema mit dem Rollstuhlfahrerkarten für mein Wohnzimmer – ähhääm ich meine natürlich die Mercedes-Benz-Arena in Stuttgart, wo mein VfB seine Heimspiele austrägt. Bisher war es immer so, dass ich mir für jedes Spiel ein einzelnes Ticket besorgen musste, was immer ziemlich mühsam war. Manchmal konnte man das Wetter schlecht vorhersehen – denn bei Dauerregen mit E-Rollstuhl im Stadion zu sitzen macht keinen Sinn – und hin und wieder habe ich einfach keinen Begleiter gefunden. Irgendwann hat dann der VfB angekündigt, für jeden Rollstuhlfahrer eine Dauerkarte anzubieten. Ich komme deshalb zwar nicht mehr umsonst ins Stadion, aber ich habe endlich meinen gesicherten Stammplatz und meine Ruhe.

An dem besagten Nachmittag lässt mir das ganze keine Ruhe mehr und ich greife zum Telefon. Ich weiß wohl, dass ich einen schwierigen Gesprächspartner habe mit dem Behindertenbeauftragten des VfB. Er ist ehrenamtlich tätig und sicher sehr bemüht, aber halt auch heillos überfordert. Aber ich habe keine andere Wahl, es ist schon der dritte Spieltag und die versprochene Dauerkarte lässt immer noch auf sich warten!
…TutTut… „Heinzelmann, was kann ich für sie tun??“ Ich schildere mit Nachdruck meine Situation und bin voller Hoffnung. Der gute Heinzelmann speist mich mit der 08-15 Aussage ab, da könne er jetzt auch nichts machen und ich bräuchte halt noch etwas Geduld.

Das war eindeutig zu viel, ich bin fassungslos und koche vor Wut. Es gibt kein Halten mehr, ich schreie ihn an, dass dies wohl die größte Verarschung des Jahrhunderts wäre und werde immer lauter. Als plötzlich meine Mutter mit hochrotem Kopf auf der Terrasse erscheint, wird mir bewusst, dass ich übers Ziel hinausgeschossen bin. Erst habe ich den guten Heinzelmann fertig gemacht und nun bin ich dran: Meine Mutter herrscht mich an, was mir eigentlich einfällt, so laut draußen herumzubrüllen. Was sollen da bloß die Nachbarn denken. Das ist mir natürlich in diesem Moment völlig egal, aber ich sage erst einmal nichts mehr! Bis ich wieder vollständig herunterkomme, dauert es noch eine ganze Weile.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Schreie nie zu laut auf der Terrasse herum!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Achtung, auch Fußballfans im E-Rollstuhl können ausrasten!

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