Teil 6: Wehe wenn der Zug ausfällt…

Für die Abreise ist alles klar und alles fertig gepackt, sodass wir uns recht entspannt Richtung Bushaltestelle bewegen. Wir genießen noch mal eine kurze Fahrt mit dem Bus durch die Straßen von Barcelona bei strahlender Sonne und sind echt traurig, dass es schon wieder nach Hause geht. Dafür Läuft alles nach Plan, wir sind super pünktlich am Bahnhof und wollen uns für den Einlade- Service in den Zug anmelden. In dem Moment kommt eine Bahn-Mitarbeiterin geradewegs auf uns zu und redet in spanischer Sprache vehement auf uns ein. Eine Assistentin von mir, die gut spanisch spricht, verzieht das Gesicht und sagt uns das Unvermeidliche: Die Frau hat uns gerade mitgeteilt, dass der Zug ausfällt…!! Ich brauche einen Moment bis ich es realisiere und bin erst mal kurz geschockt. Ich kann es nicht glauben, aber jetzt hat uns der Streik der französischen Bahn doch noch erwischt, verdammter Mist 🙁 Wir werden ins Reisezentrum der spanischen Bahn geschickt, wo man uns informieren will, wie es weitergeht. Meine spanisch sprechende Assistenten macht einem Mitarbeiter deutlich, dass die Zeit drängt. Da wir sicher den Anschlusszug in Paris verpassen werden, müssen wir uns zumindest für eine weitere Nacht eine Unterkunft organisieren – in Barcelona oder Paris. Wir warten eine gefühlte Ewigkeit und schauen gebannt auf drei Bahnmitarbeiter hinter einem großen Bildschirm, die sich gerade wegen dem Zugausfall die Köpfe heißreden.

Dann endlich kommt einer der Mitarbeiter auf uns zu und erklärt uns, dass höchstwahrscheinlich zwei Stunden später ein weiterer TGV fährt. Mir ist das zu unsicher und ich rufe meinen Vater an. Er hat einen französischen Kollegen, der sich für die Kommunikation mit der französischen Bahn bestens eignet. Die Antwort ist ernüchternd: Die französische Bahn kann nicht bestätigen, dass heute ein weiterer TGV fährt und empfiehlt, erst zwei Tage später zu fahren. Das ist schlicht unmöglich, da auch meine Assistentinnen mal eine Pause brauchen und eigentlich schon verplant sind. Von der deutschen Bahn erfahren wir ebenfalls, dass kein Zug mehr fährt. Wir sind bedient und am schlimmsten ist die Ungewissheit.

der Stress hat Spuren hinterlassen 🙂

Aber es hilft ja nichts und wir bereiten uns auf den Ernstfall vor. Bei der Unterkunft in Barcelona fragen wir an, ob wir theoretisch länger bleiben können. Das würde gehen, aber wir präferieren eher die Lösung, eine Nacht in Paris zu bleiben. Unsere Nerven sind ganz schön angespannt und wir versuchen, uns vor dem Bahnhofsgebäude etwas abzulenken. Das gelingt nicht wirklich gut und ich mache fast einen Unfall, indem ich eine hohe Bordsteinkante übersehe und meinem Rollstuhl fast zum Umkippen bringe.

Ein ungeplanter Zwischenstopp in Paris kann sich lohnen

Die Lösung mit Zwischenstopp in Paris ist zwar nicht ideal, aber als wir die Gewissheit haben, dass der Zug tatsächlich fährt, sind wir sehr erleichtert. Bleibt nur noch eine Sorge: Wo schlafe ich in Paris? Ich schreibe meinem Papa eine Nachricht, dass uns der französische Kollege noch mal helfen muss. Nach einer Stunde kommt die erlösende Nachricht: Ein Doppelzimmer ist für uns reserviert im Holiday Inn, genau gegenüber vom Gare de l’Est. Das ist sozusagen die Rettung, da ich am nächsten Tag sehr früh am Bahnhof sein muss. Dann sind die Chancen höher, dass ich noch einen Rollstuhlplatz bekomme. Die Bahn kann mir denselben für so eine kurze Vorlaufzeit leider nicht garantieren, sodass ich einfach Glück haben muss.

In Paris dauert es noch ganz schön lange, bis ich ausgeladen werde, aber sonst läuft alles ganz gut. Im Hotel lasse ich mich allerdings ziemlich entkräftet ins Bett legen und setze mich nur für einen kleinen Snack noch mal in meinen Rollstuhl. Mittlerweile sind wir wieder erstaunlich entspannt und genießen die Aussicht aus unserer „Spontan-Residenz“ auf den Bahnhof. Plötzlich klingelt mein Handy und mein Papa ist dran: „Wo seid ihr denn?“, Ich: „Naja, im Holiday Inn“, mein Papa: „Schon klar, ich meine in welchem Stock, ich stehe unten!“ Wie genial ist das denn, mein Papa ist öfter geschäftlich in Paris und diese Woche ist natürlich Paris-Woche. Ein Teil der Familie trifft sich also mal eben spontan in Paris 🙂 🙂 🙂 Wir haben ein „Riesen-Hallo“ und es gilt natürlich nur ein Thema. Außerdem bekommen wir noch ein paar Insider-Tipps, auf was wir am nächsten Morgen am Bahnhof achten sollen.

Da wir nur über die Straße müssen, sind wir am nächsten Morgen tatsächlich überaus pünktlich im Bahnhofsgebäude. Da wir eine Bestätigung der spanischen Bahn zu dem Zugausfall haben, läuft alles problemlos. Bei der Servicestelle für Menschen mit Behinderung kümmert man sich sofort um uns. Wir bekommen sogar noch einen Hinweis, wo ich mir die Unkosten für den Zwischenstopp lassen kann. Dann bringt uns der gute Mann schon ans Gleis zum bereits wartenden Zug, das Ende unserer Odysee nähert sich tatsächlich dem Ende. Nur der Zugführer scheint etwas dagegen zu haben. Er hat ernste Bedenken, mich mitzunehmen, „da Sie ja in Mannheim nicht mehr aussteigen können“. Er macht sich große Sorgen, dass sich das Zugniveau zu weit unterhalb vom Bahngleis befindet und ich die Schräge kaum überbrücken kann. Zum Glück kann ich ihn beruhigen: „Das ist kein Problem, in Karlsruhe war die Situation genauso und mein Rollstuhl hat es locker gepackt!“ Dann geht die Fahrt los und wenige Stunden später ziemlich zu Hause.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Kühlen Kopf bewahren, wenn der Zug ausfällt! Irgendwie kommt man immer ans Ziel – auch im E-Rollstuhl

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Liebe Bahnangestellte: Lassen Sie am besten den E-Rollstuhlfahrer selbst entscheiden, wo er es sich zutraut, auszusteigen.

Was danach geschah:

Zuhause ließ ich die erlebten Eindrücke sacken. Eine Woche später arbeitete ich die ganze Sache auf und stellte einen Antrag bei der französischen Bahn, um die Unkosten durch den Streik ersetzt zu bekommen! Dann stellte ich einen Antrag beim Servicecenter Fahrgastrechte der Deutschen Bahn. Obwohl ich das PDF-Formular sehr sorgfältig ausfüllte und alle Kopien selbiger Tickets mit schickte, war die Antwort sehr ernüchternd. Das Servicecenter hatte jeweils nur die Zeitverzögerung der Einzelstrecken berücksichtigt und nicht die der Gesamtstrecke bzw. Gesamtreise, bei der die Zeitverzögerung bekanntermaßen einen Tag betrug!! Ich ärgerte mich aber nur kurz und beschloss, nicht aufzugeben. Ein Anruf beim Servicecenter fahrgastrechte brachte mir zwar nicht ein, aber ich bekam den Tipp, den Fall bei der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. einzureichen. Das zog zwar ein weiterer bürokratischer Akt nach sich, dafür würden sich jetzt Rechtsexperten damit befassen. Das Schlichtungsverfahren ist zwar kostenlos, man muss jedoch mit einer sehr langen Wartezeit rechnen. In meinem Fall hat sich das Warten mehr als gelohnt, da ich tatsächlich die Hälfte des Preises für die Rückfahrt gut geschrieben bekam.

Außerdem war es mir ein Anliegen, der Deutschen Bahn ein Feedback zur Reiseorganisation zu geben. Die Mobilitätszentrale leitete meine Anfrage an den Kundendialog weiter und ich bekam tatsächlich eine sehr höfliche und sachdienliche Auskunft. Meine Anmerkungen zur Verbesserung wurden dankend angenommen und es wurde mir versprochen, dass die deutsche Bahn diese Defiziten verbessern möchte. Na dann mal schauen, die nächste Reise folgt bestimmt… Zumindest ist es sehr erfreulich, dass Kritik angehört und an Verbesserungen gearbeitet wird.

Wichtige Links:

Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V.: https://soep-online.de/index.html

Servicecenter Fahrgastrechte: https://www.fahrgastrechte.info/Fahrgastrechte-Info-Ein-Service-der-Eisenbahnverkehrsunternehm.6.0.html

https://www.bahn.de/p/view/service/auskunft/fahrgastrechte/fahrgastrechte_schlichtung.shtml

Reklamation Französische Bahn: svcservicereclamation@sncf.fr