Wohin führt Deutschlands Inklusions-Weg?

Der Entwurf zum neuen Bundesteilhabegesetz (BTHG) zeigt deutlich: Gesetzgebung ist für Menschen mit Behinderung noch lange nicht so barrierefrei ausgelegt wie gewünscht. Bei allem Frust über den Entwurf des BTHGs gibt es auch positive Aspekte, gerade wenn es um die Frage geht, wie inklusiv unserer Gesellschaft bereits ist oder nicht? Ich wehre mich gegen eine zu einseitige Bewertung und will mit meinem Fazit etwas Licht in die Inklusions-Gegenwart bringen.

Ganz klar vorneweg: Das Ziel des BTHGs, die selbstständige Lebensplanung und -gestaltung zu erhöhen, hat die Politik mit dem Entwurf aus den Augen verloren. Da wäre zum Beispiel die massive Einschränkung der Selbstbestimmung durch den Wegfall des bisherigen Vorrangs von ambulanten Hilfen. Wenn eine bestimmte Gruppe von Menschen mit Behinderung in einer stationären Einrichtung kostengünstiger untergebracht werden kann, entfällt für sie die Möglichkeit, außerhalb der Einrichtung – sprich der eigenen Wohnung – zu leben. Eine Zumutbarkeitsregelung entfällt im Arbeitsentwurf. In die gleiche Richtung geht das sogenannte „Poolen“, das den Leistungsträgern erlaubt, für mehrere Menschen mit Behinderung die Assistenzleistung zusammenzulegen. Die Betroffenen müssen nicht einmal gefragt werden, obwohl ihre Selbstbestimmung dann ziemlich eingeschränkt wäre. Persönliche Assistenz würde es für sie nicht mehr geben. Weitere Inhalte des Entwurfs wie Leistungseinschränkungen im Bereich der Eingliederungshilfe und das Übergehen der Blindenhilfe kritisierte das Forum behinderter Juristinnen und Juristen (FbJJ) scharf. Deren gesamtes Papier, das negative Punkte klar verständlich benennt und ihre Forderungen formuliert, findet ihr über diesen Link.

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Auch die Änderungen durch das neue Behinderten-Gleichstellungsgesetz für Menschen mit Behinderung gehen in einigen Punkten nicht weit genug. Denn das Gesetz verpflichtet lediglich den Staat zur Barrierefreiheit, nicht aber die Privatwirtschaft, wenn es beispielsweise um die verbesserte Inklusion von Menschen mit Behinderung auf den ersten Arbeitsmarkt geht. Das Problem ist nämlich, dass immer noch zu viele Unternehmen die Potenziale verkennen, die eine Einstellung eines Menschen mit Behinderung mit sich bringen. Barrierefreie Bundesgebäude bringen uns Menschen mit Behinderung hingegen im Alltag oder Beruf nicht wirklich weiter! Christiane Link stellt in ihrem Barrierefrei-Blog „stufenlos“ zu Recht süffisant die Frage, wann wir zuletzt mit einer Bundesbehörde zu tun hatten? Die in London lebende Journalistin bemängelt, dass es im Bereich Barrierefreiheit und Inklusion zu langsam vorangeht. Dabei verweist sie auf Länder wie Großbritannien, die seit den 1990er Jahren umfassende Umbaumaßnahmen angestrengt haben, die man heute an jeder Straßenecke und in vielen Pubs sehen kann.

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Weiterhin werden zu viele Gesetze zu Ungunsten von Menschen mit Behinderung ausgelegt. Bestes Beispiel ist die restriktive Auslegung einer Brandschutzverordnung von Diskotheken, die den Besuch von Rollstuhlfahrern extrem einschränken. Dabei gibt es keine Brandschutzvorschriften, die die Teilnahme von Menschen mit Behinderung an Veranstaltungen ausdrücklich untersagen. Brandschutz soll nicht Teilhabe verhindern, sondern der Gefährdung von Menschenleben vorbauen. Hinzu kommen weitere bürokratische Hürden, mit denen man als Mensch mit Behinderung regelmäßig im Alltag zu kämpfen hat. Da wäre zum Beispiel der regelmäßige Kampf mit Ämtern und Krankenkassen um Unterstützungsleistungen und Hilfsmittel. Es ist die gängige Taktik, dass Anträge zuerst einmal abgelehnt werden, um den Antragsteller mürbe zu machen. Davon lasse ich mich mittlerweile nicht mehr verrückt machen, sondern versuche sachliche Argumente, bestenfalls nicht interpretierbare und eindeutige Gesetzesparagrafen aufzuführen. Denn ohne Widerspruch einzulegen und einem „latenten auf den Wecker gehen“, geht es meistens leider nicht mehr. Dies führt mich gleichzeitig zu den positiven Aspekten und Entwicklungen in Sachen Teilhabe und Inklusion. Fortsetzung in Kürze…