Großes Spektakel in Fraktfurt

Erstmals besuche ich ein Sportevent live, bei dem Sportler mit Behinderung die Protagonisten sind: Die Europameisterschaft im Rollstuhlbasketball in Frankfurt. Ich habe eine Tageskarte und frage vor der Veranstaltung nach, ob ich mich zwischendurch irgendwo hinlegen kann, denn sonst komme ich nur in den Genuss eines einzigen Spieles. Obwohl mir die Antwort keine vollständige Verlässlichkeit garantiert, gehe ich das Wagnis ein. Bis zum Frankfuhrter Hauptbahnhof läuft noch alles glatt, dann beginnt die Suche nach der richtigen Straßenbahnlinie. Für stadtfremde Menschen ist die Lage hier alles andere als leicht zu überblicken und spätestens jetzt beginnt Frankfurt zur Lieblingsstadt meiner Helferin aufzusteigen. Nachdem wir die Haltestelle gefunden haben, ist das Problem noch nicht gelöst. Die Straßenbahnschienen laufen mitten auf der Straße und es ist nicht eindeutig, wo sich der Einstieg genau befindet. Während wir verzweifelt nach dem Fahrplan schauen, kommt auch schon die Bahn: Natürlich eine alte Version, das gleiche Spiel wie in Heidelberg.

IMG_0342Als endlich die richtige Bahn einfährt, sehe ich mich einer sehr steilen Einstiegsrampe gegenüber. Ich verstelle den Rollstuhl so, dass ich besser hinaufkomme, wobei mein Gefährt zu viel Schwung bekommt und an einer Stange hängenbleibt. Als es nicht sofort weitergeht, wird der Fahrer ungeduldig und wiederholt gefühlte zehnmal, dass ich noch ein paar Zentimeter nach vorne fahren soll. Um mir dies zu veranschaulichen, hat er nichts Besseres zu tun, als dreimal die Klapprampe auf meinen Rollstuhl zu schmeißen. Jetzt ist bei mir endgültig die Grenze überschritten und ich lasse einen Brüller fahren. Das kann ja wohl nicht angehen, die Fahrgäste derart zu drangsalieren. Dieser Meinung ist auch meine Helferin, die mega wütend ist; irgendwie verständlich, aber ich bleibe relativ ruhig, da ich solche Situationen schon sehr oft erlebt habe! Mein Rezept für solche Fälle: Einmal kräftig Dampf ablassen und dann sofort abhaken.

IMG_0340Als wir endlich in der Eissporthalle ankommen, wird mir augenblicklich bewusst, dass ich die ganze Situation unterschätzt habe. So viele Rollstuhlfahrer auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen, die Halle ist brechend voll und ich kann leider immer nur eine Hälfte des Spielfelds sehen. Aber die Stimmung ist prächtig, der Lärm ohrenbetäubend. Meine Helferin ist trotzdem nicht einverstanden, dass ich nur einen Platz zweiter Klasse habe und sie lässt nicht locker, bis wir einen netten und unglaublich engagierten Ordner finden. Es dauert einige Zeit, aber irgendwann schleust er uns zu einem Aufzug und wir fahren ein Stockwerk tiefer. Er will mich tatsächlich auf Ebene des Spielfelds bringen. Da das Fernsehen am Start ist, muss ein Orga-Mann erst einmal auf die Freigabe warten. Ich bin skeptisch und bereue insgeheim, dass ich nicht einfach auf dem schlechten Platz geblieben bin. Aber plötzlich gibt uns ein freundlicher Mann vom Fersehen das Signal, ihm zu folgen. Wenig später finde ich mich hinter der niederländischen Bank wieder und sehe eine atemberaubend spannende zweite Hälfte. Dank dem engagierten Organisationsteam und meiner hartnäckigen Helferin bin ich hautnah dabei.

IMG_0344IMG_0350Danach muss ich mich endlich einmal hinlegen und deshalb werden wir nochmal beim Orga-Team vorstellig. Ein netter Mann bringt uns zum medizinischen Dienst. Der Sanitäter dort ist sehr hilfsbereit und stellt uns eine tragbare und nicht unbequeme Liege zur Verfügung. Diese stellen wir irgendwo in den Katakomben auf, wo ich relativ ungestört kurz durchschnaufen kann. Nur der Sanitäter kommt ab und zu mal vorbei und frägt, ob alles in Ordnung ist. Als meine Helferin gerade überlegt, wo sie sich etwas zu essen kaufen kann, möchte er wissen, ob er uns noch was Gutes tun kann? Kurze Zeit später steht er mit einem Lunchpaket da. Als ich wieder senkrecht im Rollstuhl sitze, ziehe ich mir noch die deutschen Männer – ebenfalls gegen die Niederlande – rein. Es geht zwar lange nicht so spannend wie bei den Frauen zu, aber immerhin machen sie die Qualifikation für die WM im nächsten Jahr klar.

IMG_0352Auf dem Rückweg zum Hauptbahnhof macht meine Helferin dann nochmal mit einer Frau aus ihrer neuen Lieblingsstadt Bekanntschaft. Auf die Frage, ob die Straßenbahnhaltestelle am Hauptbahnhof rollstuhlgerecht sei, antwortet sie: „Jaja, kein Problem, im Hauptbahnhof gibt es Aufzüge!“ Alles klar, wir haben verstanden 🙂

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Es lohnt sich, hartnäckig nach dem besten Platz zu suchen.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Reden ist Silber, unkonventionelles Handeln ist Gold!