Der E-Rolli und sein Schatten

Mittlerweile ist der Tag schon fast wieder vorbei, aber ich sitze natürlich noch an meinem Laptop und überlege, wie ich die letzten Passagen meines Artikels formulieren soll. Mein Helfer Simon hängt schon etwas schräg auf der Couch und schaut müde in seinen Mini-Laptop vor sich. Ich frage ihn, ob er mir bitte kurz hilft, ein paar Sätze zu tippen, die ich mir überlegt habe. Da mein Gehirn so spät abends auch nicht mehr ganz auf der Höhe ist, diktiere ich nur sehr bruchstückhaft. Simon muss sich echt Mühe geben, dass er nebenbei nicht einschläft. Meine Assistenten haben halt schon ein hartes Los gezogen, bei so einem  verrückten Workaholic wie mir zu arbeiten. Wurde höchste Zeit, dass ich mir meinen neuen Laptop geholt habe und meine Sprachsoftware endlich benutzen kann.
Soweit, so gut, ich hab´s tatsächlich geschafft, mich vom PC zu lösen. Ich fahre in mein Zimmer und wir beginnen mit den Vorbereitungen für den Transfer ins Bett. Reden müssen wir nicht viel, da die Handgriffe nach 5 Jahren völlig automatisiert sind. Simon schnappt mich, als wäre es nichts und hebt mich schwungvoll ins Bett.

Obwohl ich mir für den nächsten Tag strikte Zielvorgaben verordnet habe und ich früh aufstehen will, bekomme ich morgens nicht die Kurve und schlafe für eine gefühlte kleine Ewigkeit nochmal ein. Als ich wieder aufwache, ist einer meiner Vollzeitkräfte da, genauer gesagt die Frau aus dem Odenwald oder auch MilliVanilli. Sie hat schon ihre üblichen Rituale hinter sich, die den Beginn ihres Dienstes ausmachen: Den Gang aufs WC und der frische Kaffee. Sie hat einen beruhigenden Einfluss auf mich, denn obwohl mein exakt durchgetakteter Zeitplan schon aus dem Ruder gelaufen ist, bin ich ganz entspannt. Ich habe schon immer versucht, etwas von Menschen abzuschauen, die anders ticken wie ich selbst. Ein bisschen mehr Chillen und weniger Stress schaden mir auf jeden Fall nicht. Ich glaube sogar, dass ich dann gelassener und somit effektiver und schneller arbeiten kann. Wenn ich zu wenig geschafft bekomme, liegt das meistens sowieso nur daran, dass ich mich nicht richtig auf eine einzige Sache fokussiere.

Fertig geschniegelt und gestriegelt im Rollstuhl sitzend, bespreche ich mit meiner Starköchin, was es zum Mittagessen geben soll. Dann flitze ich an meinen Schreibtisch und Milli zum Auto. Schon praktisch, wenn man eine Fahrerin hat für die schweren Getränkekisten. Während ich alleine bin, klingelt das Telefon und ich kann natürlich nicht abnehmen. Ich bin aber eher erleichtert, da ich im Moment überhaupt keinen Nerv für ein Telefongespräch habe. Der Tag nimmt seinen gewohnten Gang, abends verheddern wir uns an einer dämlichen Onlinebewerbung, die ich alleine bestimmt vorzeitig abgebrochen hätte. Aber die motivierende Schattenfrau pusht mich. Am nächsten Morgen sitze ich schon früh und nicht gerade ausgeschlafen auf meinem WC-Stuhl. Als Biggi rein kommt, schrecke ich hoch. „Marcy, ich geh noch kurz Eine rauchen“, meint sie und ich hab nichts dagegen. Nach einer Stunde entscheide ich mich, endlich meine Sitzung zu beenden und der Tag kann so richtig beginnen. Während ich noch ewas brauche, um in die Gänge zukommen, sprüht Biggi schon voller Tatendrang. Sie bring die Wohnung auf Vordermann, ohne dass ich sie darauf hinweise, was natürlich förderlich für meine Konzentration ist. Es ist der Idealfall, wenn die Leute von alleine sehen, was zu tun ist. Dennoch bin ich heute gar nicht zufrieden mit mir und meiner Effektivität, Biggi dagegen kann schon zufrieden mit sich sein. Manchmal wäre ich auch gerne Helfer!

UnexpendablesAber gut, ich bündle nochmal alle meine Kräfte in Vorfreude auf heute Abend, auf Gonzo n‘ Friends, eine tolle Coverband aus der Region. Abends kommt dann Gernot, der Mann für alle Fälle! Wir verstehen uns blind und haben komischerweise einen ziemlich ähnlichen Musikgeschmack, obwohl ich über zwanzig Jahre jünger bin. Heute Abend brauche ich ihn aber hauptsächlich als den, der mich durch die Gegend schleppt und vier Stockwerke mit dem Rollstuhl hinaufzieht. Wie gut, dass die Heidelberger Party-Locations so schön rollstuhlgerecht sind. Aber deshalb habe ich ja Helfer, die vor nichts zurückschrecken und kampferprobt sind. Dies gilt besonders auch für meine aufgeweckte freche Fränkin, eine kleine Powerfrau, die oft genauso tickt wie ich und mir manchmal sogar einen Schritt voraus ist. Vor allem wenn es darum geht, sich nicht zu spät ins Bett zu begeben. Meine Helferinnen sind halt schon sehr besorgt um meinen physischen Zustand. Wenn ich aber in meinen pedantischen und detailversessenen Urzustand zurückverfalle und zu viele Anweisungen gebe, kann es ungemütlich werden. „Also wirklich, ist ja wohl logisch, dass ich das weiß. Bin ja nicht zum ersten Mal hier!“ Solche Aussagen darf ich mir dann schon mal anhören.

So, zum Abschluss wende ich mich noch meinem ultimativen PC-Papst zu, der niemals zurücktreten darf! Der Mann ist echt der Hammer und nicht nur weil er gelegentlich genauso zu denken scheint wie ich. Seine große Motivation mutet manchmal beängstigend an, er wird richtig böse, wenn er seinen Aufgabenzettel nicht erfüllt. Da kenne ich nochmal jemand… Richtig aggressiv wird er, wenn meine Komandozentrale, bestehend aus Laptop, Riesenbildschirm, Spracheingabe und externer Tastatur nicht 100% funktioniert und die Ausführung meiner Sinne stark eingeschränkt ist. Aber Probleme sind ja bekanntlich da, um sie zu lösen.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Meine Helfer sind ein Fall für sich und machen mein Leben schöner!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Alltagsassistenten werden viel zu häufig unterschätzt. Es steckt viel mehr in ihnen als man glauben mag.