Landtagswahl-Spezial, Klappe die 2.

Am 10. März luden wir schließlich zu unserem zweiten Online-Gespräch mit Landtagskandidaten und -kandidatinnen für den Rhein-Neckar Kreis. Zu Gast waren Hermino Katzenstein (MdL) für die Grünen im Wahlkreis Sinsheim, Sebastian Cuny für die SPD im Wahlkreis Weinheim, Anja Boto Rodriguez für die CDU im Wahlkreis Heidelberg, und Zara Kiziltas in Vertretung für die Landesvorsitzende Sahra Mirow für die Linke im Wahlkreis Heidelberg. In der Vorstellungsrunde machten die Anwesenden deutlich, dass Menschen mit Behinderung fester Bestandteil der Gesellschaft sein und dieselben Chancen haben müssen. Für Anja Boto ist es bezüglich der Inklusion zweitrangig, für welche Partei man stehe. Der Austausch am Abend mit uns Menschen mit Behinderung sei ein großes Stück Inklusion, da unsere Belange in der Öffentlichkeit gehört werden müssten. Ganz unserer Meinung, denn sonst entstehen auch keine strategischen Lösungsansätze und Verbesserungen. Zara Kiziltas betonte, wie wichtig für uns Menschen mit Behinderung Selbstbestimmung sei und die Tatsache, nicht über uns, sondern mit uns zu sprechen.

In Bezug darauf äußerte sich Hermino Katzenstein recht positiv in Bezug auf das Bundesteilhabegesetz, das den Paradigmenwechsel vom Betreuungsgedanken zur selbstbestimmten Teilhabe vollzogen habe. Natürlich sei man noch auf dem Weg und es gebe noch sehr viel zu tun, aber die Richtung stimme. Auch würden einige Gelder dafür in die Hand genommen. Weiter führte er aus, dass Politik zusammen mit Kostenträgern und Verbänden Baden-Württemberg ein Verfahren auf den Weg gebracht habe, dass die Bedarfe individuell feststelle. Ziel sei es, im ganzen Land gleichwertige Lebensverhältnisse für alle zu schaffen. Frau Kiziltas wies abschließend darauf hin, dass der Kostenvorbehalt* für arbeitende Menschen mit Behinderung, die Assistenz bekommen, nach wie vor eine sehr große Benachteiligung gegenüber allen anderen in der Gesellschaft darstellen.

*d.h. Menschen mit Behinderung müssen sich je nach Einkommen finanziell an den Assistenzkosten beteiligen.

Es ist schon viel passiert in Richtung Inklusion, aber es muss noch mehr passieren!

Wie schon in der ersten Gesprächsrunde sahen es auch in der zweiten Runde alle als ganz wichtig an, den barrierefreien Ausbau des ÖPNV sowie den digitalen Ausbau voranzutreiben, besonders für jene Menschen, die auf dem Land leben und nicht den Anschluss an die Städte verpassen wollen. Der barrierefreie ÖPNV ist zwar im Rhein-Neckar Kreis schon recht gut ausgebaut, es besteht aber noch Luft nach oben. Während bei den S-Bahnen schon nahezu vollständige Barrierefreiheit gewährleistet ist, geht bei den Bussen und Straßenbahnen noch ein bisschen mehr. Herr Katzenstein, seines Zeichens Verkehrsexperte, wollte schnellstmöglich herausfinden, welche Bushaltestellen in der Region noch umgebaut werden müssen. Umgehend schrieb er eine Anfrage an den Behindertenbeauftragten des Rhein-Neckar-Kreises, der recht zügig und ausführlich antwortete: das ist echter inklusiver Service!

Ein großes Problem sind auch vor allem die in Heidelberg vielfach nicht barrierefreien Facharztpraxen. Eine Änderung ist hier aufgrund der alten Bausubstanz oft nur schwer zu erreichen. Ein sinnvoller Lösungsansatz ist es, barrierefreie Ärztezentren aufzubauen, damit auch wieder mehr Wahlfreiheit entsteht. Das wird von uns als Individualhilfe auch sehr gewünscht. Alle Kandidaten und Kandidatinnen machten deutlich, dass Barrierefreiheit beim ÖPNV und bei Arztpraxen ganz wichtig sei und signalisierten, mit uns darüber gerne weiterhin Austausch bleiben zu wollen.

Barrierefreiheit von ÖPNV und Arztpraxen noch ausbaufähig

Dass die Poststellen vielfach nicht barrierefrei sind, stieß auf großes Unverständnis. Einige Kandidaten waren sich darüber gar nicht im Klaren und wollten für ihren Wahlkreis diesen Aspekt auf jeden Fall überprüfen sowie bei Bedarf für eine Änderung einstehen. Völlig unbegreiflich ist auch, dass manche Wahlräume und sogar Beratungsstellen für Menschen mit Behinderung wie die noch nicht überall bekannte ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) nicht barrierefrei zugänglich sind.

In Zukunft müssten wir Barrierefreiheit bei ÖPNV, Zugang zu Ärzten und Wohnungsbau in Zukunft viel mehr mitdenken, formulierte es Daniel Al-Kayal bei unseren ersten Gespräch treffend. Ein weiterer Baustein, um unsere Gesellschaft dahin zu entwickeln, in der Unterschiede wie eine Behinderung nicht mehr wahrgenommen werden. So beschrieb es Sebastian Cuny, für den es selbstverständlich sein müsse, dass wir alle zusammen teilhaben.

Damit dies gelingt, ist natürlich auch der finanzielle Aspekt zu berücksichtigen. Wir verdeutlichten nochmals die wertvolle Arbeit der Assistenzkräfte, die jederzeit auch mal einspringen müssen, da nicht jeder Angestellte zu jedem Kunden geschickt werden kann. Es waren sich alle einig, dass diese Arbeit auch gerecht entlohnt werden muss. Dies gilt für den ganzen Pflegebereich genauso. Wenn sich dort die Bedingungen verbessern, profitieren natürlich auch wir als Individualhilfe davon.

Angemessene Entlohnung für Pflege- und Assistenzkräfte ein wichtiger Baustein

Abschließend ist festzuhalten, dass sich alle Gesprächsteilnehmer sehr interessiert und dankbar zeigen, durch uns einige Problemlagen kennengelernt zu haben. Einerseits sind Dinge wie die Finanzierung von Assistenz im Krankenhaus oft gar nicht bekannt. Auf der anderen Seite ist es für uns als Menschen mit Behinderung und Individualhilfe einen sehr gute Sache, mehr Kontakte in die kommunale Politik sowie die des Landes zu haben. Engagierte Fürsprecher in der oft so bürgerfern wirkenden politischen Ebene sind Gold wert. Herr Katzenstein, der Mitglied im Petitionsausschuss des Landtages ist, wies uns darauf hin, dass mit einer Petition ein Anliegen noch mehr Gewicht erhalte. Der Ausschuss habe so zumindest die Möglichkeit, in einer bestimmten Angelegenheit der Landesregierung einen Handlungsauftrag zu erteilen.

Übrigens: Wir gratulieren Hermino Katzenstein, Norbert Knopf, Sebastian Cuny und Jan Peter Röderer ganz herzlich zum Einzug in den Landtag und freuen uns, auch mit allen anderen GesprächsteilnehmerInnen in Kontakt zu bleiben.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Eine Landtagswahl ist enorm wichtig, da der Landtag nicht nur wichtige Entscheidungen direkt für unseren Alltag trifft-die Politiker bzw. Kandidaten sind für uns Bürger auch erreichbarer und  hören uns zu!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Es ist das Gebot der Stunde, dass sich die politische Ebene um alle! Bürger gleichermaßen kümmert und damit Inklusion vorlebt.