Der Zivi- und FSJ-Dompteur

Da ich ständig auf Hilfe angewiesen bin, habe ich schon ziemlich viele Zivis und FSJler (Freiwilliges Soziales Jahr) kommen und gehen sehen. Oft war ich sehr traurig, als sie mit ihrem Dienst fertig waren und einen neuen Lebensabschnitt starteten. Wenn man sich mit den jungen Helfern gut versteht und einen Großteil des Alltags mit ihnen verbringt, entsteht schon eine besondere Bindung und der Abschied kann sehr schwer fallen. Bei netten FSJlerinnen und Studentinnen fällt es natürlich noch ein kleines bisschen schwerer 😉

Seit meinem Studium führe ich mein Leben mit einer Alltagsassistenz rund um die Uhr. Mittlerweile habe ich ein Helferteam, das über einen Pflegedienst angestellt ist, aber von mir geleitet wird. Die Dienstpläne mache ich selbst und versuche möglichst, auf alle Wünsche einzugehen. Einen perfekten Plan gibt es nie, aber ich gebe mein Bestes! Die Helfer haben entweder 12-Stunden-Schichten oder 24-Stunden-Schichten, da die Anfahrt für einige Helfer recht lang ist. Ich kann meine Leute aber auch länger am Stück einteilen, bin also völlig flexibel.

Viel interessanter ist natürlich, wie das Zusammenspiel mit meinen Assistenten funktioniert: Neulinge lerne ich möglichst behutsam ein. Auch wenn ich immer einen straffen Zeitplan habe, nehme ich mir bewusst Zeit, damit ich in Ruhe jeden Schritt erklären kann. So lernen die neuen Helfer am meisten und ich bin meistens nach drei Tagen schon recht gut mit ihnen eingespielt. Bestimmte Vorgänge bei mir, die aufgrund meiner Behinderung anfallen, erwähne ich ebenfalls. Zum Beispiel verstelle ich meine Rollstuhlneigung ständig, wenn ich ohne Beatmungsgerät bin. Der Grund ist, dass der Einatemvorgang für mich sehr anstrengend ist und ich die fehlende Kraft durch eine Schaukelbewegung kompensiere.

Mein oberster Grundsatz im Umgang mit meinen Helfern ist es, dass ich Ihre Stärken sehe und diese dann für mich nutze. Dann profitieren beide und das Zusammenspiel klappt gleich viel besser und macht Spaß. Ich finde es genial, dass jeder Mensch andere Stärken hat oder überhaupt welche hat. Außerdem wäre es langweilig, wenn alle gleich sind! Und ich müsste wahrscheinlich regelmäßig den Psychologen aufsuchen :D. Eine weitere wichtige Spielregel ist, dass man auf seine Helfer Rücksicht nimmt und sein eigenes Ego auch einmal zurück stellt. Ich gebe meinen Helfern ab und zu „Luft zum Durchatmen“ und stelle auch mal einen Wunsch zurück, wenn ich merke, dass sie ein Tief haben oder etwas genervt sind. Das erleichtert die Zusammenarbeit ungemein. Bisher habe ich von so einer Denkweise immer profitiert, vor allem habe ich schon viel von meinen Helfern gelernt und mir gute Tipps geben lassen.

Ich finde es jedenfalls klasse, wenn sich junge Menschen für eine Tätigkeit mit behinderten Menschen entscheiden oder die Chance dazu haben. Das weitet die Perspektive ziemlich stark und sie werden im Umgang mit ihnen viel lockerer. Das bedeutet für mich wahre Inklusion. Und das muss noch nicht das Ende sein, denn manchmal entstehen richtige Freundschaften, die von längerer Dauer sein können. Wenn sie nicht mehr bei einem arbeiten, muss man die Jungs und Mädels halt anrufen, dann freuen Sie sich immer total und kommen mindestens für einen Kaffee vorbei.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: 24 h-Assistenz ist etwas tolles, wenn die Harmonie stimmt.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Menschen mit Behinderung und ihre Helfer können wirklich beste Freunde werden.