Samstagabends in der Bahn und ein „hombre“

Samstagabends in der Bahn und ein „hombre“

Handball in Leutershausen war mal wieder klasse: Mittendrin statt nur dabei! Aber jetzt bin ich müde und kann eigentlich nichts mehr brauchen. Das Problem ist nur, dass ich an einem Samstagabend in der Bahn unterwegs bin und viele Jugendliche in Feierlaune ebenfalls. Niveauloses Geschwätz und schlechte Witze sind da noch das geringste Übel, wobei es angereichert mit Alkohol ziemlich unangenehm werden kann. An der nächsten Haltestelle steigt eine Gruppe Jugendlicher ein, die ordentlich Party machen wollen. Ein junges Mädel mit hochhackigen Schuhen und aufreizend kurzem Rock hat eine halbvolle Sektflasche in der Hand, von der alle abwechselnd trinken. Mir wird schon vom Zuschauen schlecht. Ein anderer aus dieser Gruppe trägt zu allem Überfluss auch noch ein dröhnendes Taschenradio in der Hand. Als zusätzlich ein älterer Herr mit seinen zwei Hunden einsteigt, entsteht endgültig ein rücksichtsloses Gedränge und Geschiebe. Nicht dass ich nur Angst um mein Beatmungsgerät bekomme. Auch die Lichtschranke spielt dadurch verrückt und verhindert am laufenden Band, dass die Türe zugeht und die Fahrt weitergeht. Die Fahrt nervt also nicht nur, sie verzögert sich auch immer mehr – ein entspannter Samstagabend scheint weit entfernt…

Manchmal muss man einfach cool sein

Bald sind wir am Hauptbahnhof Heidelberg und so langsam erkenne ich Licht am Ende des Tunnels. Aber zu früh gefreut, denn plötzlich kommt ein ziemlich aufdringlicher Kerl, ein türkisch- oder spanischstämmiger junger Mann wie mir scheint, auf uns zu. Klarer Fall: Ein „Coolman“ wie er im Buche steht! So wirkt das Ganze jedenfalls auf mich. Und als der Typ meine Helferin mit Blick auf mich auch noch frägt, was „ihm“ denn passiert sei, ist meine Toleranzgrenze nahezu überschritten. Diese gibt nur zurück, dass er mich doch auch selber fragen könne. Dann passiert etwas, womit ich nicht gerechnet hätte. Der junge Mann wirkt nicht etwa überfordert, er fragt wirklich interessiert, was denn bei mir los sei. Als ich ihm die Kurzversion erzähle, gibt er zurück, dass seine Mutter wochenlang im Wachkoma gelegen habe. Das macht mich nachdenklich und ich habe plötzlich Respekt vor ihm. Durch seine Erfahrungen kann er sich in etwa vorstellen, was es heißt, mit mehr oder weniger großen Einschränkungen zu leben. Und er kann verhältnismäßig locker damit umgehen.

Aber seinen großen Auftritt am Ende braucht er dann doch noch. Zu unserer Belustigung dreht er sich zu seinen Kumpels um, die ein paar Meter weiter weg stehen: „Hey, das ist mein hombre*! Wenn ihr dem irgendetwas macht, ey dann fick ich euch alle!“ Oh Mann, ganz schön derbe „Coolman“-Sprache… Aber trotzdem, er zeigt mir seine Solidarität und ich bin ihm anscheinend nicht egal. Wenige Augenblicke später ist er in der Dunkelheit verschwunden. Die restliche Rückfahrt vergeht wie im Flug, da wir so eine ereignisreiche Fahrt eher selten erleben.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Eine Bahnfahrt samstagabends hat Risiken und Nebenwirkungen, aber durchaus ihren Reiz.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Wer Menschen im E-Rollstuhl direkt und ehrlich interessiert anspricht, macht nichts falsch!

* Kommt aus dem Spanischen und bedeutet so viel wie guter Kumpel