Unterwegs im Ehrenamt – Kontaktpersonen-Schulung Teil 1

Ich bin zur Einsteigerschulung für Kontaktpersonen der Deutschen Gesellschaft für Muskelkranke (DGM) eingeladen. Unlängst habe ich die Aufgabe als Kontaktperson bzw. erfahrene Ansprechperson für andere Mitglieder mit Schwerpunkt auf dem Bereich Hilfsmittel übernommen. Kontaktpersonen sind ein elementarer Bestandteil der ehrenamtlichen Arbeit des Selbsthilfevereins. Nachdem ich letztes Jahr mit dem Zug nach Hohenroda (mitten in der ländlichen „Pampa“) bei Fulda gefahren bin, ziehe ich es dieses Mal vor, ganz entspannt mit dem Kleinbus anzureisen. Nach der Ankunft im Hotelpark Hohenroda stoßen wir aber auf ein erstes kleines Problem: Ich hatte ein Zimmer mit getrennten Betten geordert, da ein Großteil meiner Helfer wegen des Geräusches meines Beatmungsgerätes nicht neben mir im Doppelbett schlafen kann. Das gewünschte Zimmer stellt sich vor Ort als zu klein für meine Bedürfnisse heraus. Das Ende vom Lied: Wir werden in zwei getrennten Zimmern untergebracht. Denn völlig unausgeschlafen zu sein, wäre zum einen für meinen Begleiter eine Qual und ich hätte gleich zweimal nichts von ihm. Trotzdem ist es beileibe keine ideale Lösung. Wir machen zwar in der Nacht eine Zeit aus, wann mein Assistent nach mir schaut. Aber wenn ich unvorhergesehen dringend Hilfe brauche, kann ich niemand rufen und bin quasi aufgeschmissen. Obwohl wir äußerst sorgfältig und nach allen Regeln der Kunst alle! denkbaren Steckverbindungen überprüft haben und eigentlich nichts passieren kann, bleibt ein ungutes Gefühl, wenn die Türe zugeht. Ich bin nicht gerade entspannt und brauche deutlich länger, bis ich einschlafe.

150313_15_DGM_076150313_15_DGM_072Der zweite Negativpunkt ist die mangelnde Barrierefreiheit des in die Jahre gekommenen Hotels. Aber die Serviceleute versuchen wirklich alles, um den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten. In meinem Fall äußert sich das in Form einer „Betterhöhung“, die zwar ein Provisorium darstellt, meinem großen Helfer den Transfer von mir ins Bett und zurück aber spürbar erleichtert. Außerdem gibt es eine Rampe aus Plastik, welche die Stufe in die Duschkabine deutlich entschärft. Nicht zu vergessen das geniale Essen, gleich zweimal warm am Tag. Besser geht’s nicht für einen passionierten Fleischesser und einen großen, starken und hungrigen Assistenten. Eine schöne Aussicht auf eine unbebaute und leicht geschwungene Landschaft genießen wir überdies.

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Wunderschönes Licht: Die Morgensonne lässt den Hotelpark in neuem Glanz erstrahlen.

Meine Zeitplanung ist zur Abwechslung einmal großzügig und ich habe noch die Möglichkeit, mich auszuruhen. Wenig später geht es mit der Begrüßung los. Bevor ich in den schon vollbesetzten Konferenzraum hineinrolle, schnappe ich zu meiner Erheiterung noch einen Kommentar vom Bundesgeschäftsführer der DGM, Horst Ganter, auf: „Echt gut, endlich mal jemand ohne Bayern-Emblem hinten drauf!“ Für ein intensiveres Gespräch über Fußball ist leider keine Zeit. Ich bekomme zusammen mit meinem Helfer noch einen Platz. Rechts neben uns sitzt in seinem großen E-Rollstuhl der Riese Vitali! Er hat einen leichten Akzent und ich denke, er versteht mich nicht gut mit meinem Schwäbisch. Aber weit gefehlt, er versteht alles, von Anfang an habe ich seine Sympathie gewonnen, er mag mich. Eine Vorstellungsrunde mit mir und den anderen Kontaktpersonen eröffnet das Programm. Das Altersspektrum der Anwesenden reicht von geschätzten 25-65 und ich bekomme mal wieder einen Eindruck, wie vielfältig sich verschiedene Muskelkrankheiten auswirken können. Gemeinsamkeiten gibt es trotzdem genug: Alle sind motiviert und gut drauf, wollen sich für die DGM und ihre Mitglieder einbringen. Und alle sind sehr offen und unterhaltsam! Der DGM-Sozialberater aus Freiburg führt uns die nächsten drei Tage durchs Programm. Zuerst erfahren wir etwas über den Verein DGM sowie dessen Aufbau und Strukturen, was interessanter ist wie es sich anhört.

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Facettenreich: Die Teilnehmer des Seminars könnten unterschiedlicher nicht sein.

Derweil sind die Schmerzen in meinen Beinen vom langen Sitzen schon ziemlich stark. Das ist zum Glück nicht immer so, aber dummerweise an diesem Wochenende und so muss ich nach dem ersten Vortrag abbrechen. Da meine Pause recht lange ausfällt, bin ich ziemlich spät beim Abendessen dran. Wir erwischen nur noch einen Tisch, der nicht speziell für DGM-Leute reserviert ist und müssen ein Gespräch über uns ergehen lassen, das hauptsächlich aus Stammtischparolen bestehen. Noch unglücklicher ist die Entscheidung, Fußball zu schauen, während es sich die meisten anderen in der Hotelkneipe gut gehen lassen. Das Problem ist nämlich, dass mein unsäglicher „VfB“ sang- und klanglos verliert. Aber ich bin es ja gewohnt in dieser Saison und am nächsten Morgen geht’s frisch motiviert zum Vortrag über Genetik und verschiedene Typen von Muskelkrankheiten.

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Fachexperte: Neurologe Professor Neuendorf ist ein Spezialist für Muskelkrankheiten.

Für die Aufgabe als Kontaktperson ist es einfach wichtig, ein Basiswissen über Muskelerkrankungen zu haben. Für meinen Geschmack ist der Vortrag aber etwas zu lange und ausführlich. Genau das richtige für meine Schwester, die Medizin studiert… Aber kein Vorwurf an Professor Neundorf, Neurologe und Mitglied des DGM-Vorstandes, der früher sicher ein sehr feinfühliger und verständnisvoller Arzt war. Er ist einfach sympathisch und ich genieße es förmlich, mich mit ihm zu unterhalten. Außerdem war er lange in der Kurpfalz tätig, meiner „zweiten Heimat“.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Menschen mit Muskelerkrankung können total unterschiedlich und doch eine große Familie bilden.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Ein geeignetes Hotel mit serviceorientiertem Personal ist im Endeffekt nur Nebensache, aber trotzdem Gold wert!