Schmerz lass nach – Durchhaltevermögen zahlt sich aus!

Als freier Journalist ist es sehr wichtig, Kontakte zu Knüpfen und zu erhalten sowie mögliches Material und Ereignisse für gute Storys zu sammeln. Es gehört zum täglichen Brot, Menschen, Firmen oder Veranstaltungen zu besuchen. Die Schwierigkeit des Journalisten bzw. der Journalistin besteht darin, dass er oder sie im Vorfeld nie ganz sicher sein kann, ob es sich bei der jeweils anstehenden Recherche oder Informationsbeschaffung für einen potentiellen Artikel um eine lohnende Zeitinvestition handelt. Mit dieser Art von „Berufsrisiko“ war ich schon öfter konfrontiert, ein typisches Beispiel war ein Termin beim Selbsthilfeverein „Arbeitskreis Barrierefrei“ in Mannheim.

Arbeitsplatz 2Das lief wie folgt ab: auf der Hinfahrt bekomme ich mal wieder Probleme mit meiner Hightech-Steuerung und mein Helfer muss mich auch über Straßenbahnschienen und Bordsteine fahren. Jedenfalls verschüttelt es mich zwei, drei Mal so stark, dass mir danach einige Knochen weh tun. Am liebsten würde ich gleich wieder umdrehen, aber ich beiße auf die Zähne. Und ich bin sogar fast pünktlich an Ort und Stelle. Die Ausführungen des Vorsitzenden des Vereins dauern lange und die Diskussionen laufen zäh. Das liegt auch daran, dass viele Menschen etwas sagen, die gravierende Sprechprobleme haben und für ihre Aussagen eben ein bisschen länger brauchen. Aber ich finde es toll, dass auch sie die Chance haben, sich in aller Ruhe zu artikulieren und gegebenenfalls ihren Unmut zu äußern. Trotzdem dauert mir heute alles viel zulange, die Schmerzen sind schon längst wieder voll da… ich bin kurz davor, früher zu gehen, aber dann wäre der ganze Aufwand umsonst gewesen. Ohne mit ein paar Anwesenden zu sprechen und vielleicht ein Bild mit ihnen zu machen – das könnte ich mir nicht verzeihen.

Journalist CAls der offizielle Teil endlich vorbei ist, beginnt meine eigentliche Arbeit: Ich fasse mir ein Herz und spreche eine Rollstuhlfahrerin an. Ich frage erst mal belanglose Dinge, etwa ob sie schon länger Mitglied in diesem Verein sei. Am Ende des Gesprächs möchte ich dann endlich wissen, ob sie für ein Bild zu Verfügung stehe, damit ich meinen Besuch festhalten könne. Als sie verneint, besteht meine einzige Hoffnung darin, meine engagierte und hilfsbereite Bekanntschaft aus dem Arbeitskreis um Hilfe zu bitten. Sie ist sofort einverstanden und ich ergreife die Chance am Schopf: Die sehr nette und aufgeweckte Diskussionsleiterin im Rollstuhl und den Behindertenbeauftragten der Stadt würde ich gerne mit aufs Bild nehmen. Kein Problem – meine Unterstützerin trommelt alle zusammen und das Bild wird gemacht. Die Diskussionsleiterin ist sehr offen und ich komme mit ihr ins Gespräch. Auf meine dezente Nachfrage versichert sie mir, dass ich mich gerne melden könne um etwas ausführlicher zu reden. Jawoll, jetzt habe ich meinen Ansatz für eine mögliche Story und atme innerlich tief durch. Etwas gequält und ausgepowert fahre ich zurück, aber mit einem sehr guten Gefühl.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Journalisten müssen mitunter große Opfer bringen.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Engagierte Bekanntschaften sind Gold wert!