MAIK 2013 – Klappe die Dritte: Beatmungskongress als echter Zugewinn!

Als ich morgens aufwache, gehe ich im Bett meinen Vortrag im Kopf noch einmal durch und bin überrascht, wie gut es funktioniert. Frohen Mutes höre ich mir noch einen Vortrag von einem mutigen Menschen an, der mit ALS lebt, einer wirklich krassen Krankheit. Der Abbau von Körperfunktionen geht in einem wahnsinnig hohen Tempo voran. Das, was ich in 25 Jahren durchgemacht habe, musste er in fünf Jahren über sich ergehen lassen, denke ich mir. Nicht dass ich an dieser Stelle Mitleid schüren möchte, nachdenklich macht es mich trotzdem. Aber von den Tücken der ALS lässt sich dieser Mann nicht aufhalten, er macht das Beste aus seinem Leben und hat clevere Lösungen für manches Alltagsproblem gefunden. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Inklusion ALS-Kranker voranzutreiben. Und sein Hobby ist es, trotz der etwas schwierigen Begleitumstände sehr viel zu reisen. Das nötigt nicht nur Menschen ohne Behinderung, sondern auch mir ziemlich viel Respekt ab und es kann einen Lerneffekt haben. So war es jedenfalls für mich, da ich gesehen habe, dass ich die eine oder andere Möglichkeit noch gar nicht ausgeschöpft habe. Klar löst jeder seine Probleme ein bisschen anders und jeder muss letztlich seinen eigenen Weg gehen. Aber wer nur mit Scheuklappen herumfährt und vor sich „hinwurschtelt“ kommt keinen Schritt weiter. Und das Lernen sollte für mich noch weitergehen, vor allem was die Urlaubsmöglichkeiten für Schwerbehinderte angeht…

Münchener außerklinischer Intensiv Kongress November 2013

Oliver Jünke Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Bevor ich in den Kongresssaal fahre, wo mein Vortrag stattfindet, nehme ich auf meinem Zimmer die letzten Vorbereitungen vor. Auch meine Helferin macht sich besonders schick für den großen Auftritt 🙂 Alles klar, jetzt kann ich mich mit ihr sehen lassen 🙂 Zunächst hält meine Mitreferentin einen Vortrag über Inklusion und ihre persönlichen Erfahrungen damit. Endlich sehe ich sie einmal persönlich, zuvor haben wir nur über Facebook kommuniziert. Mein positiver Eindruck bestätigt sich, wirklich eine sehr nette Person. Dann ist da noch ein Geschwisterpaar mit Schwermehrfachbehinderung, das über ihre USA-Rundreise berichtet. Es ist der Wahnsinn, jeder im Saal ist schwer beeindruckt. Naja, den Respekt vor dem Fliegen habe ich nicht abgelegt, aber die Idee mit dem Schiff in die USA überzusetzen, finde ich äußerst reizvoll. Etwas abgefahren und ziemlich teuer, aber wieso nicht mal darüber nachdenken.

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Beeindruckender Vortrag Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Plötzlich wird mir bewusst, dass der Vortrag viel länger ging als geplant und ich weiß nun, was auf mich zukommt: Ich muss irgendwie bei den Zuschauern die Spannung aufrechterhalten und möglichst die Zeit wieder aufholen. Und es fängt schon mal gut an: Als ich mit Hinweis auf meinen Blog aufgerufen werde, ist den Zuhörern der Spaß deutlich anzumerken. Ich ziehe das Referat in „sage und schreibe“ fünfzehn Minuten durch. Und auch die Tatsache, dass sich mein selbsterstelltes Video nicht ausführen lässt, kann mich nicht aus der Bahn werfen. Ich und meine Helferin improvisieren einfach und führen den Inhalt des Videos live auf der Bühne vor. Als alles vorbei ist, bin ich schon etwas erleichtert, aber es hat vor allem großen Spaß gemacht! Danach ist nicht mehr viel geboten und ich mache mir auf dem Zimmer noch einen gemütlichen Abend.

Münchener außerklinischer Intensiv Kongress November 2013

Perfekte Vortragsassistenz Foto: Intensive Home Care Consulting (IHCC)/Sebastian Heise

Ich bin rundum zufrieden, der Kongress war ein voller Erfolg und hat mir einige neue Erkenntnisse und Kontakte gebracht. Einerseits Denkanstöße für interessante Artikel und andererseits einfach nur sehr nette persönliche Kontakte. Und das ist ja eigentlich genau das, was das Leben ausmacht. Es ist nicht entscheidend, welchen Umständen und Einschränkungen der Mensch unterworfen ist, sondern was er aus seinem Leben macht. Deshalb fand ich es schade, dass ich auf dem Kongress nur Betroffene, Pfleger, Therapeuten und Ärzte gesehen habe! Denn nicht nur mir hat es viel Mut gemacht, dass auch Menschen mit schwersten und noch größeren Beeinträchtigungen als bei mir etwas aus dem Leben machen, es positiv gestalten. Das wäre auch bei vielen Menschen ohne Behinderung so gewesen, auch wenn manch einer bei dieser Hightech-E-Rolli-Armada aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen wäre.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Menschen mit und ohne Behinderung können jeweils sehr viel voneinander lernen.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: E-Rollstuhlfahrer sind nicht gleich E-Rollstuhlfahrer.