Behindertenrechtskonvention ganz demokratisch!

Die meisten von Euch haben sicher schon von der UN-Behindertenrechtskonvention (BRK) gehört, die 2009 verabschiedet wurde und die von zahlreichen Ländern unterzeichnet worden ist. Sie enthält grundlegende Bestimmungen, um für Menschen mit Behinderung eine inklusive Alltagsumgebung herzustellen. Das heißt, die staatlichen Institutionen und die Gesellschaft eines Landes schaffen Bedingungen, die sich auf ihre behinderten Mitmenschen einstellen und ihnen ein gleichberechtigtes Leben ermöglichen. Dafür formuliert zur Zeit jede Stadt, jede Kommune, jedes Bundesland und schließlich die Bundesregierung einen Aktionsplan und will diesen umsetzen. Das hört sich jetzt alles ziemlich theoretisch an, ist es aber nicht, wie ich bei der Regionalkonferenz in Mannheim erlebe. Bei der Veranstaltung haben Betroffene, Angehörige, Vertreter von Selbsthilfevereinen, Behindertenwerkstätten und Schulen die Möglichkeit, sich zu den bisher ausgearbeiteten Leitlinien des Landesbehindertenbeirats zu äußeren.

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Das ist für mich echte Demokratie, jeder hat die Chance, mitzureden und seine Erfahrungen einzubringen! Wenn man sich die große Vielfalt unterschiedlicher Behinderungen und Bedürfnisse vor Augen führt, was mir hier in Mannheim so richtig bewusst wird, ist das besonders wichtig. Und Politiker brauchen diese Außensicht ihrer mitten im Alltagsleben stehenden behinderten Mitmenschen, um gute Gesetze zu verabschieden, die möglichst vielen von ihnen gerecht werden. Mir gefällt das wirklich, mitgestalten statt mitjammern mit allen anderen Politikverdrossenen! Zur Konferenz hatte der Landesbehindertenbeauftragte aufgerufen, der die Interessen der Menschen mit Behinderung im jeweiligen Bundesland vertritt. Ich bin im Vorfeld etwas skeptisch, denn solche Bürgervertreter versprechen in schönen Reden oft sehr viel und können kaum etwas davon umsetzen. Letztes Jahr habe ich eher negative Erfahrungen mit dem Behindertenbeauftragten gemacht, als ich bei einem sehr wichtigen Anliegen mit drei Sätzen abgespeist wurde. Natürlich vertritt er eine ganze Menge Menschen und kann sich nicht um alles kümmern, was mich etwas milder stimmt. In seiner Eröffnungsrede gefällt er mir sehr gut: kompakt, prägnant und mit Nachdruck!

Der engagierte dicke Mann

In drei Arbeitsgruppen unterteilt – „Erziehung und Bildung“, „Wohnen und Wohnumfeld, Kultur, Freizeit, Vereine, Tourismus“ und „Gesundheit und Arbeit“ finden sich die Teilnehmer zusammen und diskutieren. Ich bin letzterer Gruppe zugeteilt. Die Diskussion läuft gut und ich habe das Gefühl, dass einige sehr engagierte Anwesende richtig gut vorbereitet sind. Vor allem einige Eltern von Menschen mit geistiger Behinderung, setzen sich nachdrücklich für ihre Kinder ein. Ich merke schnell, dass einige Aspekte durchaus emotional aufgeladen sind. Die meisten Anwesenden legen großen Wert darauf, endgültig mit allen Facetten der Diskriminierung aufzuräumen! Engagement ist sehr notwendig, aber alles hat seine Grenzen, finde ich. Manche nehmen sich schon verdammt wichtig und nehmen sehr viel Diskussionsraum ein. Ein dicker Mann, der sich als Angstpatient vorstellt und an einer Esssucht leidet, schießt den Vogel ab. Ständig gibt er einen Zwischenkommentar ab und ergreift bei jeder passenden Gelegenheit das Wort, um seinen Unmut zu äußern. Er wirft mit Ausdrücken wie „Das kann es echt nicht sein“ und „Das ist unter aller Kanone!“ um sich. Ist ja gut, denke ich irgendwann, finde es aber auch schon wieder amüsant 🙂

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Inklusion in der Praxis will gelernt sein!

Dass auch manche Teilnehmer auf einem Seminar, bei dem Inklusion im Mittelpunkt steht, im Umgang mit E-Rollstuhlfahrern noch dazulernen müssen, merke ich in der Mittagspause. Ich sitze mit meinem Helfer an einem Tisch, gegenüber zwei Herren. Der eine spricht meinen Helfer an und fragt, wieso ich ständig beatmet werden muss und möchte wissen, ob es heute sehr anstrengend für mich ist. Ich bin etwas verwundert und frage mich, wieso er mich nicht selber anspricht. Ein Anfängerfehler und das bei dieser Veranstaltung… Ich sage gerade heraus, dass er schon viel zur Inklusion beitragen würde, wenn er mich einfach selber anspricht. Die anderen Männer grinsen und immerhin befreit sich der Angesprochene umgehend aus seiner Zwangslage. Es entwickelt sich ein angenehmes Gespräch und die drei Herren interessieren sich sehr für meine Tätigkeit. So bekomme ich drei Zeitschriften, in denen ich publiziert habe, an den Mann. Hoffentlich habe ich bleibenden Eindruck hinterlassen.

Emotionen pur

Dann geht es auch schon weiter, jetzt geht es um das Thema Arbeit und die Diskussion gewinnt an Fahrt. Es ist ein hoch emotionales Thema und die meisten finden es absolut nicht in Ordnung, von einem zweiten, nachrangigem Arbeitsmarkt zu sprechen. Dies vermittelt ihnen den Eindruck, Menschen mit Behinderung würden minderwertigere und unprofitable Arbeit abliefern.Die Erfahrungen bezüglich der Unterstützung der Arbeitsagentur sind durchweg negativ und alle Anwesenden wünschen sich als Alternative unabhängige Beratungsstellen. Naja, es gibt eine Ausnahme, ein Reha-Berater, der die Welt nicht mehr versteht. Er finde die Beschwerden haltlos und steht dem Wahrheitsgehalt der Äußerungen in Frage. Die Reha-Berater würden eine super Arbeit machen und könnten auch nichts dafür, wenn die Unternehmen keine Menschen mit Behinderung einstellen würden.

IMG_0191Nachdem ich mich bis zu diesem Zeitpunkt noch einigermaßen im Griff habe, platzt es jetzt aus mir heraus. Ich berichte, dass man der Wahrheit ja wohl ins Auge sehen müsse und ich noch nie ein vernünftiges Job-Angebot vom Jobcebter vermittelt bekommen habe. Das tut gut, ich musste meinem Ärger einfach Luft machen. Danach beruhigt sich die Diskussion etwas, bis die Moderatorin uns mitteilt, dass wir die letzten beiden Punkte auf der Agenda nicht mehr schaffen. Sie provoziert damit den letzten Auftritt unseres Angstpatienten. Er beschwert sich, dass dies ja wohl überhaupt nicht gehe! Zum Glück kann er sich wieder beruhigen, da er eine E-Mail Adresse mitgeteilt bekommt, an die er alle seine offenen Fragen richten kann. Gut, dass ich nicht der Empfänger bin.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Engagement ist gut, übertriebene Polemik weniger!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Die Teilnahme an einer Diskussion mit behinderten Menschen gewährleistet nicht automatisch inklusives Verhalten.

Zu schön zum Arbeiten

Es ist mal wieder zum Verrückt werden, ich komme heute einfach nicht zum Arbeiten. Entnervt lasse ich mich ins Bett und von dort aus auf meinen WC-Stuhl setzen. Es geht ins Bad, den Ort meiner Träume 🙂 Ich kann mir wirklich nichts Schöneres vorstellen, als den halben Vor- und Nachmittag ganz einsam und verschlossen in einem schön gefliesten Raum zu verbringen. Die Geschichte hört sich zwar komisch an, aber es ist wirklich sch…,  Verdauungsprobleme zu haben und gleichzeitig arbeiten zu müssen.

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Gut, ich habe genug Zeit, mir in der Zwischenzeit Texte zu überlegen, aber es ist eben auch blöd, sämtliche Bürotätigkeiten in einem dafür nicht vorgesehenen Raum zu verlagern. Wer wollte nicht schon immer mit seinem Chef telefonieren, wenn er zum Beispiel gerade auf dem Klo sitzt? Na ja, Stress machen bringt eh nix und deshalb versuche ich mich nicht aufzuregen. Es kommen sicherlich wieder bessere Tage. Auch wenn der Zeitverlust für mich nur schwer zu ertragen ist.

P.S.: Damit wir uns nicht falsch verstehen, es geht nicht nur um Klogeschichten, denn es gibt noch andere Umstände, die mich sehr viel Zeit kosten: Ich sollte mich zur Entlastung jeden Tag zwei Mal hinlegen; wenn ich mich verschlucke, hat das langwierige Abhustprozeduren zur Folge; zum Essen brauche ich verhältnismäßig viel Zeit.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Es ist nicht unbedingt erstrebenswert, mehrere Arbeitsplätze zu haben.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Schätze es, in Ruhe und ohne Unterbrechung arbeiten zu können.

Eine Diskonacht mit Startschwierigkeiten

Für mein Wochenende sind mal wieder einige Aktivitäten geplant. Meinen Helfern wird’s also sicherlich nicht langweilig. Für Freitagabend ist der „Rock-Club“ in einer Heidelberger Disco angesagt. Ein alter FSJler hat mir sofort zugesagt, dass er mitgeht und meinem Helfer beim Einladen hilft. Er ist leider nicht der zuverlässigste Mensch auf dieser Welt und kurz vorher schickt er ne SMS, dass er doch nicht kann. Na super, jetzt bleibt alles an meinem Helfer hängen! Er muss zuerst meine Sitzschale ins Auto bauen, meinen Rollstuhl in den Kofferraum laden, mich von meinem Bett ans Auto tragen und dann auch noch reinsetzen. Zu guter Letzt muss er mein Beatmungsgerät aus der Wohnung nachholen. Und die ganze Aktion natürlich auch noch rückwärts…

Ein paar Minuten überlege ich mir echt, ob es diesen Stress wert ist und ärgere mich wirklich über die kurzfristige Absage. Aber mein Helfer sagt, dass ich auf ihn jetzt keine Rücksicht nehmen solle und es ganz allein meine Entscheidung sei. Solche Helfer muss man haben! Da auch ein Kumpel von mir schon zugesagt hat, will ich die Aktion doch nicht absagen. Also ziehen wir es durch. Wie bestellt regnet es auch noch in Strömen als wir am Musikclub ankommen. Es ist kein Vergnügen, aber mein Helfer macht so schnell er kann und bald sind wir mitten im Getümmel.

Plötzlich kommt jemand um die Ecke, ein Bekannter von der Kirchengemeinde, eine schöne Überraschung! Er kann es kaum fassen, mich hier zu sehen: „Klasse, du hier! Dich trifft man ja auch überall!“. Mein Kumpel kommt auch schon um die Ecke gerollt und ist froh, dass wir endlich da sind. Wir fahren zusammen in den Raum, wo die Live-Band spielt. Heute ist Jubiläum, 50. Rock-Club und die Jungs legen sich echt besonders ins Zeug, es lohnt sich total! Nachdem wir das letzte Mal ziemlich enttäuscht waren, kommen wir diesmal auf unsere Kosten und mein Helfer ist auch zufrieden. Davor war er ziemlich skeptisch und ich hätte mich doch ein bisschen verantwortlich gefühlt, wenn er Recht behalten hätte. So haben wir einen schönen Abend mit megaviel bekannten Rockhits. Als wir genug haben, regnet es draußen immer noch, aber das können wir jetzt locker verschmerzen!

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Lass dich von Unzulänglichkeiten nicht aufhalten und zieh dein Ding durch.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Es lohnt sich, einen E-Rollstuhlfahrer im Schweiße deines Angesichts auf den Autositz zu bugsieren.

Ein Weihnachtskonzert mit nachhaltiger Wirkung

Wie zu jedem Weihnachtsfest fahre ich auch dieses Jahr wieder zu meiner Familie in die schwäbische Heimat. Es hat schon Tradition, dass ich in dieser Zeit mit meinem Vater mindestens ein Konzert besuche. Einen Tag vor Heiligabend sehe ich im Internet die Ankündigung für das Weihnachtsoratorium in einer Kirche der Stuttgarter Einkaufsmeile. Wir sind uns bewusst, dass es mitten im Zentrum Stuttgarts mit einem Parkplatz schwierig werden wird. Diese Befürchtung bewahrheitet sich, da einer der wenigen Behindertenparkplätze ziemlich blöd zugeparkt ist. Da wir wie immer spät dran sind, bleibt uns nur der Weg in die Tiefgarage. Sieht leider ziemlich voll aus, aber plötzlich taucht wie aus dem Nichts ein riesengroßer Behindertenparkplatz vor uns auf. Das ist unserer! Wir fahren mit dem Aufzug hoch, überqueren die Straße und ab geht’s zum Eingang der Kirche.

Vor dieser herrscht Aufregung und die Kartenverkäuferin erklärt, dass es keinen Platz mehr in der Kirche gibt. Mein Vater sagt der Frau nur, dass wir ja unseren Sitzplatz dabei haben 😉 Die Frau denkt keine zwei Sekunden nach und sagt: „Das machen wir jetzt einfach!“ Ohne einen Cent zu bezahlen und noch dazu mit einem Programmheft fahre ich mit meinem Vater in die Kirche. Sofort kommt einer der Sänger auf uns zu gestürmt und verspricht uns, dass er auf der Stelle einen Stuhl für uns organisiert. Das wäre nicht einmal nötig, denn in zwei Bankreihen rutschen schon die Konzertgäste zusammen, damit noch ein Platz frei wird. So muss es sein kurz vor Weihnachten: Praktizierte Nächstenliebe! Bevor wir reagieren können, gibt uns der Sänger von eben die Auskunft, dass er im Moment leider keinen Stuhl findet. Leicht verzweifelt merkt er an: „Tut mir echt Leid, aber ich muss jetzt nach vorne zum Singen.“ Aber es gibt ja noch die Kassiererin, die nun einfach ganz selbstlos ihren Stuhl neben eine Kirchenbank stellt. Echt der Wahnsinn, ich wusste gar nicht, dass wir Schwaben so unkompliziert und hilfsbereit sind!!!

Nach einem qualitativ hochwertigen und sehr schönen Konzert ist unser Glück quasi perfekt, Weihnachten kann kommen! Natürlich machen wir dem Sänger von vorhin ein riesen Kompliment und bedanken uns für seine Hilfsbereitschaft. Draußen geht die Serie der Begegnungen mit wahnsinnig hilfsbereiten Menschen weiter. Wir suchen den Zugang zum Aufzug für die Tiefgarage, merken aber bald, dass dieser inzwischen verschlossen ist. Ein schwäbisch-türkischer Passant bekommt das mit und kann es nicht fassen: „Das gibt’s nicht, es muss irgendwo einen rollstuhlgerechten Zugang geben! Ich suche jetzt für sie.“ Mit einem Affenzahn rennt er den großen Gebäudekomplex entlang und verschwindet für kurze Zeit. Mit enttäuschter Miene kommt er nach fünf Minuten wieder zurück. Er hat leider keine positiven Neuigkeiten, aber das macht uns jetzt überhaupt nichts mehr aus. Wir bedanken uns herzlich und freuen uns einfach wahnsinnig über die vielen netten Menschen, die es anscheinend doch noch gibt ? Wir fahren jetzt einfach die Autoeinfahrt der Tiefgarage hinunter, ganz schön lang und nicht gerade ein gutes Zeugnis für eine Landeshauptstadt. Die 8 € Parkgebühr verschmerzen wir allerdings mit links.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Im Rollstuhl zu sitzen kann ein Privileg sein.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Spontanes und umkompliziertes Handeln ist ein Patentrezept.

Ein voll durchgeplantes Wochenende

Obwohl ich für das kommende Wochenende den Samstag schon verplant habe, bekomme ich am Anfang der Woche Torschlusspanik, weil ich für Freitag und Sonntag überhaupt noch nichts vorgesehen habe. Ich will ja nicht die ganze Zeit alleine dasitzen. Gut, ich habe zwar immer einen Helfer oder eine Helferin bei mir, aber es ist halt was anderes, sich mit einem Kumpel oder einem Freund zu treffen. Obwohl natürlich drei bis vier meiner Helfer gute Freunde sind. Ich könnte ja vereinsamen oder irgendetwas verpassen… Für Freitag frage ich einen Kumpel und für Sonntag einen alten Zivi. Leider entwickelt sich die Woche nicht gerade gut und der Arbeitsberg wird immer größer, an das Wochenende denke ich erst mal gar nicht. Und dann sagen mir die beiden Kumpels auch noch zu! Naja, das habe ich jetzt davon und kann jetzt nicht mehr zurückziehen. Denn normalerweise ist das für mich eine goldene Regel: Wenn ich etwas ankündige, mache ich es auch. Ich habe also das ganze Wochenende was vor, obwohl ich eigentlich keine Zeit habe. Aber ich nehme es sportlich und nicht nur ich bin mir sicher, dass mir ein bisschen Abstand vom Schreibtisch gut tut.

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Am Freitag Abend fahre ich mit meinem Kumpel in die Dorfkneipe meines Wohnorts. Nix Besonderes, aber gut genug, um ein Bier zu trinken und einen netten Abend zu verbringen. Der Abend ist schön und ich komme sogar verhältnismäßig früh ins Bett. Ich will ja auch früh aufstehen, damit ich noch was geschafft bekomme und ich mein Gewissen etwas beruhige, bevor mein Bekannter aus der Heimat kommt. Als er dann wieder geht, ist es schon recht spät und ich muss mich schnell nochmal hinlegen, damit ich fit fürs Handballspiel bin, das ich mir heute Abend mit meiner sportbegeisterten Helferin und meinem alten Klassenlehrer reinziehe. Wir fahren ganz schön lang mit der Bahn, aber es lohnt sich: Es geht um alles, Abstiegskampf und die Stimmung kocht hoch!

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Meine Helferin, die energische Fränkin, ist nicht mehr zu bremsen und hüpft wie wild herum. Ich finde es auch spannend und es ziemlich lustig, wie sie sich reinsteigert, mehr als das überwiegend badische Publikum. Als wir den Sieg in der Tasche haben, bin ich noch lange nicht fertig und besuche einen Helfer, der jetzt in Leutershausen wohnt und seit neuestem Papa ist. Der kleine süße Wonneproppen ist allemal einen Besuch wert. Da die Kleine sehr müde ist, verabschieden wir uns bald wieder und fahren mit der Bahn zurück. Als ich zuhause ankomme habe ich nur noch eins im Kopf: Ab ins Bett!, denn morgen geht’s ja weiter 😉 Klar, es geht wie fast immer Sonntags in die Kirche und abends kommt ja mein nächster Besuch! Und zwischendrin sollte ich vielleicht noch kurz was für Montag vorbereiten.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Wer Arbeitsstress hat, braucht auch Freizeitstress – aber zwischendurch Durchatmen nicht vergessen!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Einen Journalist im E-Rollstuhl kann man jederzeit und überall treffen.

Turnfest in der Rhein-Neckar-Region – Faszination Kunstturnen

Als alter Sportfanatiker, für den Fußball-Bundesliga Pflicht ist und sportliche Großereignisse wie Weltmeisterschaften und Olympische-Spiele ein absolutes Highlight darstellen, bin ich natürlich dabei, wenn das internationale Turnfest direkt vor meiner Haustür stattfindet. Ich interessiere mich auch für sogenannte Randsportarten, kann dafür aber kaum jemanden von meinem Freundeskreis begeistern. Ich finde Kunstturnen jedenfalls echt toll zum Zuschauen und deshalb möchte ich es gerne live sehen. Zum Glück ist ein alter Klassenkamerad anderer Meinung und begleitet mich und meinen Helfer. Ich kann problemlos gleich zwei Karten besorgen, jeweils Rollstuhlfahrer mit Begleitperson. Nicht mal bezahlen muss ich als Rollstuhlfahrer dafür, was echt eine super Sache ist! Diese Rücksichtnahme auf die Belange von Menschen mit Behinderung hat Vorbildcharakter für andere Sportarten und Regionen.

IMAG1485Manchmal ist es ein wahres Privileg, Rollstuhlfahrer zu sein, was die Tatsache verdeutlicht, dass wir direkt ganz vorne sitzen und die Turner und Turnerinnen ganz nah und genau im Blick haben. Echt beeindruckend, was sie leisten! http://www.youtube.com/watch?v=vhsieAGl4Vs&feature=youtu.be. Die Frauen sind zum Teil wahnsinnig jung und genau wie die Männer meist von sehr kleiner Statur. Außerdem sind sie sehr dünn und die Männer durchaus muskulös. Bei der Ehrenrunde der Sieger bin ich dann wirklich ganz nah dran an den Sportlern, cool!

IMAG1493Nur bei der Siegerehrung bin ich etwas genervt, da vor jeder der fünf Ehrungen als einer der Gratulanten der Vorstand des Mannheimer Energiekonzerns MVV genannt wird. Wenn das mal keine Schleichwerbung ist. Als wir zurück zur Bahn fahren, erschrickt mein Helfer einige Menschen, da er mich mit heißem Reifen – möglichst vor allen anderen – zur Bahn-Haltestelle fährt. Dort – ich traue meinen Augen kaum – stehen sogar Ordnungskräfte bereit, um mir einen unproblematischen Einstieg zu ermöglichen. Auf mich einstürmende Menschenmassen bleiben mir so erspart.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Rollstuhlfahrer haben ein besonderes Privileg bei Sportveranstaltungen.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Sport schafft Inklusion.

Der Messe-Dreiteiler

Teil 1: Die momentane Job-Situation

Momentan bin ich im Rahmen von Hartz IV selbstständig tätig. Aber ich versuche alles, um mich als Freier Texter zu etablieren, da die Chancen auf eine Festanstellung eher gering sind. Und erste kleine Erfolge kann ich schon für mich verbuchen, habe seit dem Studium einige interessante Auftraggeber gefunden: Da wäre der AKAD-Hochschulverband, für dessen Hochschulmagazin ich schreibe, das Rathaus in Heidelberg, das gerade eine neuen Internetauftritt vorbereitet und dafür Texte benötigt, die Zeitschrift RehaTreff und der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding.

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Die erfolgreichsten Kontakte basieren auf persönlichen Begegnungen und Beziehungen. Zu der Zeitschrift RehaTreff bin ich dadurch gekommen, weil der Chef meines Pflegedienstes ein ehemaliger Studienkollege des Chefredakteurs ist. Es entstand die Idee, dass ich einen Artikel über meinen Pflegedienst schreibe und diesen bei RehaTreff anbiete. Lothar Binding habe ich bei einem Vortrag angesprochen und er war sofort – ohne diese gelesen zu haben – an Texten von mir interessiert. Was erst einmal daran lag, dass ich auf meinen engen Bezug zu sozial- und behindertenpolitischen Themen und mein Know-how darin aufmerksam machte. Hinzu kam, dass ich es hier mit einem sehr offenen, authentischen und engagierten Politiker (unabhängig von der Partei) zu tun hatte. Als Experte vom Fach sind auch die Messen im Pflege- und Rehabereich für mich als Kontaktbörse sehr wertvoll.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Persönliche Kontakte sind alles!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Auftraggeber mit Engagement und Verstand sind gefragt.

 

Teil 2: Messebesuch in Stuttgart und Karlsruhe – Der Vergleich

Meine Erlebnisse und Erfahrungen der Pflegemesse in Stuttgart 2012 sowie der Reha-Messe REHAB 2013 möchte ich gerne im Vergleich erläutern.
Da ich mich im Bereich Pflege gut auskenne, finde ich schnell Gefallen an der Idee eines Freundes aus der der Medizinprodukte-Branche, mein Glück auf der Pflegemesse in Stuttgart zu versuchen. Ich bereite mich intensiv auf die Messe vor, unter anderem verschaffe ich mir einen genauen Überblick über die Aussteller und drucke einige Lebensläufe sowie Probeartikel zum Verteilen aus. Die Fahrt dorthin ist allerdings mit einigen Hürden verbunden, da der Stuttgarter Nahverkehr nicht gerade als rollstuhlgerecht zu bezeichnen ist. Die Absätze in die S-Bahnen sind oft zu hoch und der Abstand der Bahnsteige zur Bahn zu groß.

IMG_0077Auf der Messe finde ich mich dann schnell zurecht und im Pressebereich wieder. Dort bekomme ich die Info, dass es kostenloses Mittagessen gibt, was vor allem meinen Helfer freut. Die Stände der Pflegemesse beschränken sich auf eine große Halle. Ich überlege nicht lange und steuere gleich den ersten Stand an, wo eine Pflegebetten-Firma ausstellt. Bevor sich der Messe-Abgesandte der Firma versieht, spreche ich ihn auch schon an. Ich erkläre ihm, dass ich mich mit Pflegebetten gut auskennen würde und ich Freier Texter wäre. Dann schiebe ich noch hinterher, ob bei seiner Firma Interesse und Bedarf an Texten bestünde. Dieses Vorgehen ruft die im folgenden Abschnitt beschriebene Problematik hervor:

Da die Geräuschkulisse sehr hoch ist und ich wegen meiner Beatmungsmaske etwas schlechter zu verstehen bin, ist eine Unterhaltung für mich ziemlich mühsam. Manchmal hätte ich echt gerne ein MEGAPHON! Hinzu kommt noch, dass sich einige Firmenvertreter in das letzte Eck ihrer Stände verkriechen, um bloß nicht in ihrer Ruhe gestört zu werden. Aber immer noch besser, als ohne Verstand und Motivation eine Unterhaltung zu führen. Denn wer sich mit einem Rollstuhlfahrer unterhält, ist gelegentlich gut beraten, sich etwas herunter zu beugen oder in die Hocke zu gehen. Gott sei Dank gibt es einige aufgeschlossene Firmenvertreter, die das beschriebene Prinzip tatsächlich anwenden, mir geduldig zuhören und nicht abgeneigt scheinen. So habe ich beispielsweise die Möglichkeit, mit der Inhaberin eines kleinen Verlages zu sprechen, die sich sehr interessiert an kreativen Texten zeigt. Deshalb fahre ich zumindest mit einem kleinen Auftrag nach Hause.

falsche EbeneDie Anfahrt zur Messe in Karlsruhe läuft eindeutig besser und angenehmer. In die S-Bahnen kommt man im Rhein-Neckar-Kreis als Rollstuhlfahrer über eine simple Klapprampe ganz einfach hinein. Am Hauptbahnhof stehen Shuttle-Busse bereit, die den Transfer zur Messe sehr vereinfachen. Wenn man dann noch von engagierten Fahrern, die ihre Gesangskünste zum Besten geben, gefahren wird, beginnt der Messetag schon mal sehr gut! Auch in Karlsruhe komme ich bequem durch den Presseeingang in die Besucherhallen. Dort ist wesentlich mehr los wie in Stuttgart, dennoch kommt es mir nicht so laut vor – wahrscheinlich weil ich es von Stuttgart noch gewohnt bin. Die REHAB entspricht meinen Bedürfnissen und Interessen als E-Rollstuhlfahrer wesentlich mehr. Ich treffe auch ein paar bekannte Gesichter, die REHAB ist eine große Plattform für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, darunter viele Rollstuhlfahrer.

Dieses Mal spreche ich nicht so viele Firmenvertreter an den Ständen an und vermeide es, unvermittelt den Grund meines Gesprächs zu erwähnen. Ich überlege mir genau, was ich sagen will und wo es Sinn macht, mit jemandem zu sprechen. Dieses Mal bin ich besser vorbereitet, habe Visitenkarten und Hefte dabei, in denen Artikel von mir veröffentlicht sind. Ich bin gespannt, wie die Resonanz diesmal ausfällt. Ohnehin ist die Frage, ob es sinnvoll ist, auf einer Fachmesse seine Dienste als Freier Journalist anzubieten. Meine Journalisten-Kollegin sieht es eher skeptisch, da viele Hersteller schon eine eigene Presseagentur für solche Arbeiten engagiert haben und auf den Messeständen meistens nicht die richtigen Ansprechpartner vorzufinden sind. Ich gebe ihr teilweise recht, denn für Autoren einer Zeitschrift wie RehaTreff ist die Messe vor allem als Ideenbörse und Impulsgeber für spätere Artikel sowie zur Kontaktpflege wichtig. Aber das Beispiel Stuttgart zeigt, dass es auch positive Ausnahmen gibt und keine Mühe gänzlich umsonst ist.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Eine Messe gibt einiges her – mit einer guten  Vorbereitung und klaren Zielsetzung.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Der richtige Blickwinkel und die nötige Sensibilität ist entscheidend.

 

Teil 3: Fachlicher Überblick – Was gibt es Neues?

Neben der Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, waren beide Messen für mich genauso wie für andere Rollstuhlfahrer und Menschen mit Behinderung auch als Informationsplattform sehr wichtig. Von meiner Kollegin bekomme ich zu hören, dass die REHAB dieses Jahr nicht so viel zu bieten habe: Kaum Neuheiten oder spektakuläre Hilfsmittel und ein schwächeres Rahmenprogramm. Es besteht die Vermutung, dass die Motivation beim Messebetreiber dieses Mal nicht ganz so hoch war, da er die Messe ab nächstes Jahr an einen anderen Betreiber verkauft hat. Dennoch will ich mir selbst ein Bild machen. Den Golfparcours inklusive Paragolfer für mobilitätseingeschränkte Golffans finde ich jedenfalls klasse. Auch ein  Strandrollstuhl mit riesigen Reifen, einen Strandliegestuhl und Strandrollator, der so genannte JOB Walker, finden meinen Zuspruch.

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Es werden inzwischen viele Möglichkeiten ausgeschöpft, um Rollstuhlfahrern eine sehr individuelle Freizeitgestaltung zu ermöglichen. Für die Sportler unter den Rollstuhlfahrern steht ein Handbike und dazugehörigem Rollstuhl mit Reifen fürs Gelände bereit. Den Segway-Rollstuhlfahrer als Apache für befestigte Straßen und Sitting Bull mit Spezialbereifung fürs Gelände finde ich echt heiß. Inzwischen gibt es übrigens einige Reiseanbieter, die interessante barrierefreie Reisen anbieten. Schön und gut, aber was machen die klassischen Hilfsmittel und Alltagshilfen, um die Behinderung auszugleichen und ein Leben mit ihr zu vereinfachen.

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                                                                                                                                              Als E-Rollstuhlfahrer interessieren mich natürlich die Hersteller von E-Rollstühlen: Hier bleibe ich an der neusten Version des E-Fix von Alber hängen, da ich dieses Modell in seiner Urversion vor 15 Jahren gefahren habe. Ich bin erstaunt über den enormen zwischenzeitlichen Fortschritt. Danach lasse mir den E-Rollstuhl von Permobil mit sechs Rädern erklären, der tatsächlich auf einer Stelle drehen kann. Raffiniert, aber ich finde meinen E-Rollstuhl wendig genug. Die E-Rolli-Teststrecke der Firma Etac, die den Nachfolger meines E-Rolli-Modells herstellt, würde ich am liebsten ausprobieren, aber der ausgestellte Nachfolger sieht so instabil aus, dass ich lieber weiterfahre. Meine nächste Station ist die Firma Seats, die mit einer geeigneten Technik einen passgenauen Schaumstoffabdruck für die Rollstuhlsitzschale produzieren kann. Für mich, der  wegen seines Körperbaus und den fehlenden Fettpolstern auf ein weiches Ersatzpolster angewiesen ist, ein genialer Ansatzpunkt. Am Start sind auch einige Autoumrüster, die Großraumfahrzeuge mit Rampe/Hebebühne und Befestigungssystem anbieten oder aber eine Limousine mit Einstiegshilfe und dem mittlerweile bewährten Gasring.

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Dann komme ich zu den besonders interessanten Kommunikationshilfen für in der Mobilität sehr eingeschränkte Personen wie mich. Die Aussteller haben nichts Revolutionäres zu bieten, denn die umfangreiche Bedienung von elektronischen Geräten wie Fernseher, Stereoanlage und Telefon in der eigenen Wohnung durch eine Umfeldsteuerung ist nicht neu. Die Frage ist jeweils nur, ob die Krankenkasse bezahlt. Dass die neue Generation der Umfeldsteuerung RolliX einen Bildschirm hat, der  hervorragende Kontraste hervorbringt und sehr gut lesbar ist, reißt mich nicht gerade vom Hocker. Mit meinem System komme ich sehr gut klar. Schon eher spricht mich das neue Feature an, das per Schreib-Applikation SMS über das Smartphone versenden kann und eine Kalender- und Notizbuch-Funktion beinhaltet. Als Planer vor dem Herrn fasziniert mich so was natürlich, dumm nur, dass ich handytechnisch nicht auf dem neusten Stand bin und kaum SMS schreibe. Im Notfall habe ich ja noch meine Helfer.

IMG_0070IMG_0082Wenig später höre ich im Vorbeifahren Bruchstücke eines Vortrages, bei dem es um Assistenzsysteme und technikunterstütztes Wohnen geht. Ein Mitarbeiter der Niwoge eG Wohnungsgenossenschaft schwärmt von sozialen Assistenzsystemen für die Wohnkonzepte der Zukunft. Obwohl das ein hochspannendes Thema für mich ist, bekomme ich kaum mehr etwas mit, ich bin einfach nicht mehr aufnahmefähig. Und als der gute Mann davon anfängt, dass sein Unternehmen nun Pflegestützpunkte in die Wohnprojekte integriert, schalte ich komplett auf Durchzug und gebe Vollgas. Denn in meinem Wohnhaus gehört das schon lange zum Standard und ich habe sowieso mein eigenes Assistenzteam am Start.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Auf einer Reha-Messe finden Rollstuhlfahrer nichts, was es nicht gibt.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Man glaubt kaum, wie viel High-Tech in einem Rollstuhl und anderen technischen Hilfmitteln steckt.

Ganz Deutschland verflucht das Wetter

Es gießt mal wieder in Strömen. Und der Frühling, der keiner ist, macht seinem Namen wie so oft dieses Jahr keine Ehre. Es ist Ende Mai und ich möchte mit meiner Schwester in die Oper fahren. Beim Blick aus dem Fenster hab ich schon mal gar keine Lust mehr. Mein Taxiunternehmen kann mich leider nicht fahren, also steht eine Plantsch-Odysee mit Bus und Bahn zum Theater an. Ich bin in voller Montur: Lange Unterhose, Jacke, Schal und mein Regencape. Und los geht’s – es läuft relativ gut, nur die Schuhe meiner Helferin sind völlig durchnässt. Sie geht auf dem schnellsten Weg ins WC, Schuhe ausziehen und Füße trocknen. Irgendwann kommt sie wieder. Die Theaterglocke hat zum dritten Mal geläutet, eigentlich sollte ich jetzt in den Saal hineinfahren, aber ich muss um jeden Preis noch aufs WC. Ich kann ja etwas später auch noch hineinfahren…

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Plötzlich klopft es an der Klotüre und ich frage schon empört, ob man denn nicht mal in Ruhe aufs Klo könnte!? Es ist einer der Ordner des Theaters und fragt, ob sie noch warten sollen, die Oper zu beginnen. Wenn es einmal losgegangen sei, wäre der Zutritt nicht mehr möglich. Meine Helferin wird leicht panisch, aber ich kann mir das Lachen nicht verkneifen: Es ist einfach zu cool, wir halten den ganzen Laden auf! Einerseits ist der Mann ja echt nett, andererseits finde ich das Verhalten etwas kleinkariert und mal wieder typisch bürokratendeutsch. Ich düse so schnell wie möglich in den Saal zu meiner Schwester. Meine Helferin lässt sich etwas erschöpft in den Sessel sinken. Etwas später zieht sie so unauffällig wie möglich ihre immer noch völlig durchnässten Schuhe aus, trocknet sie mit WC-Tüchern, um dann barfuß wieder in den Schuh zu steigen. Obwohl die Oper echt gut ist, beobachte ich die Szene und muss einfach nur grinsen. Nach der Veranstaltung regnet es immer noch genauso stark wie vorher und wir nehmen so schnell wie möglich Fahrt auf in Richtung Bahn!

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Wie gut, dass ich ein Regencape habe und an den Sommer glaube!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Wer Rollstuhlfahrer begleitet, sollte immer Gummistiefel dabei haben.

Der Zivi- und FSJ-Dompteur

Da ich ständig auf Hilfe angewiesen bin, habe ich schon ziemlich viele Zivis und FSJler (Freiwilliges Soziales Jahr) kommen und gehen sehen. Oft war ich sehr traurig, als sie mit ihrem Dienst fertig waren und einen neuen Lebensabschnitt starteten. Wenn man sich mit den jungen Helfern gut versteht und einen Großteil des Alltags mit ihnen verbringt, entsteht schon eine besondere Bindung und der Abschied kann sehr schwer fallen. Bei netten FSJlerinnen und Studentinnen fällt es natürlich noch ein kleines bisschen schwerer 😉

Seit meinem Studium führe ich mein Leben mit einer Alltagsassistenz rund um die Uhr. Mittlerweile habe ich ein Helferteam, das über einen Pflegedienst angestellt ist, aber von mir geleitet wird. Die Dienstpläne mache ich selbst und versuche möglichst, auf alle Wünsche einzugehen. Einen perfekten Plan gibt es nie, aber ich gebe mein Bestes! Die Helfer haben entweder 12-Stunden-Schichten oder 24-Stunden-Schichten, da die Anfahrt für einige Helfer recht lang ist. Ich kann meine Leute aber auch länger am Stück einteilen, bin also völlig flexibel.

Viel interessanter ist natürlich, wie das Zusammenspiel mit meinen Assistenten funktioniert: Neulinge lerne ich möglichst behutsam ein. Auch wenn ich immer einen straffen Zeitplan habe, nehme ich mir bewusst Zeit, damit ich in Ruhe jeden Schritt erklären kann. So lernen die neuen Helfer am meisten und ich bin meistens nach drei Tagen schon recht gut mit ihnen eingespielt. Bestimmte Vorgänge bei mir, die aufgrund meiner Behinderung anfallen, erwähne ich ebenfalls. Zum Beispiel verstelle ich meine Rollstuhlneigung ständig, wenn ich ohne Beatmungsgerät bin. Der Grund ist, dass der Einatemvorgang für mich sehr anstrengend ist und ich die fehlende Kraft durch eine Schaukelbewegung kompensiere.

Mein oberster Grundsatz im Umgang mit meinen Helfern ist es, dass ich Ihre Stärken sehe und diese dann für mich nutze. Dann profitieren beide und das Zusammenspiel klappt gleich viel besser und macht Spaß. Ich finde es genial, dass jeder Mensch andere Stärken hat oder überhaupt welche hat. Außerdem wäre es langweilig, wenn alle gleich sind! Und ich müsste wahrscheinlich regelmäßig den Psychologen aufsuchen :D. Eine weitere wichtige Spielregel ist, dass man auf seine Helfer Rücksicht nimmt und sein eigenes Ego auch einmal zurück stellt. Ich gebe meinen Helfern ab und zu „Luft zum Durchatmen“ und stelle auch mal einen Wunsch zurück, wenn ich merke, dass sie ein Tief haben oder etwas genervt sind. Das erleichtert die Zusammenarbeit ungemein. Bisher habe ich von so einer Denkweise immer profitiert, vor allem habe ich schon viel von meinen Helfern gelernt und mir gute Tipps geben lassen.

Ich finde es jedenfalls klasse, wenn sich junge Menschen für eine Tätigkeit mit behinderten Menschen entscheiden oder die Chance dazu haben. Das weitet die Perspektive ziemlich stark und sie werden im Umgang mit ihnen viel lockerer. Das bedeutet für mich wahre Inklusion. Und das muss noch nicht das Ende sein, denn manchmal entstehen richtige Freundschaften, die von längerer Dauer sein können. Wenn sie nicht mehr bei einem arbeiten, muss man die Jungs und Mädels halt anrufen, dann freuen Sie sich immer total und kommen mindestens für einen Kaffee vorbei.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: 24 h-Assistenz ist etwas tolles, wenn die Harmonie stimmt.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Menschen mit Behinderung und ihre Helfer können wirklich beste Freunde werden.

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Sado-Maso-Training mit meinen (neuen) Helfern

Das Spiel wiederholt sich regelmäßig: Da ich immer mal wieder neue Helfer bekomme, muss ich sehr oft ziemlich viele Details erklären. Für alle von euch die jetzt auf dem Schlauch stehen, sei gesagt: Ich bin auf fast alle Handreichungen in meinem Alltag angewiesen. Vor allem muss ich exakt im Rollstuhl sitzen, da zählt jeder Millimeter! Nur dann kann ich auch ordentlich Gas geben.

Naja, ich habe mir angewöhnt, allen Neuanfängern jeden Schritt ganz in Ruhe zu erklären. Wenn sie am Anfang genug Zeit bekommen, verspricht dies den größten Lerneffekt.
Natürlich rechnet keiner damit, dass ich so ein zäher Knochen bin. Da gilt es zuzupacken und das bei diesem schmächtigen Kerl! Gut, ich kanns ja verstehn, da ich halt sehr zerbrechlich aussehe.

Haha, wenn ihr wüsstet…!! 😀

Die richtig großen Probleme beginnen aber erst wenn meine Helfer das erste Mal mein berühmt- berüchtigtes Sado-Maso-Training durchführen sollen, in der Fachsprache auch Mundöffnungs-Therapie genannt. Und so funktioniert das Ganze: Man nehme 6 Mundspatel wie bei Onkel Doktor, staple sie und schiebe sie auf der einen Kieferseite zwischen die Zahnreihen, bis sie nicht weiter reingehen. Dann nehme man einen siebten Spatel und schiebe ihn mit ein bisschen Gewalt zwischen die anderen Spatel, sodass sich der Mund etwas weiter öffnet.

Spateltraining

Nun lässt man das Opfer drei Minuten schmachten. Danach wiederholt man das Prozedere auf der anderen Kieferseite. Hört sich natürlich ziemlich krass an und sieht gemeingefährlich aus, ist aber halb so schlimm und ziemlich effektiv! Meine HelferInnen können mir dadurch leichter das Essen geben, weshalb ich nicht ganz verstehe, wieso sich fast alle meine Helferinnen am liebsten um diese Trainingseinheit drücken.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Es kann ja nicht jeder so ein harter Knochen wie ich sein.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Nur Mut, er zerbricht nicht!

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