Inklusion kann so einfach sein!!!

Nachdem wir alle mehr oder weniger gut ins neue Jahr gerutscht sind, ist es schon wieder so weit. Einer meiner besten Kumpels feiert Geburtstag: Dieses Mal ist es der Dreißigste! Gott sei Dank wieder einer mehr, der die 30er-Marke überschreitet. Wir treffen uns in der Studentenkneipe Ziegler Heidelberg in der Nähe vom Bismarckplatz, Verkehrsknotenpunkt Nummer eins. Obwohl das Wetter garstig ist, beruhigt mich die Aussicht, nicht zu lange in der Kälte herumfahren zu müssen. Beim Aussteigen aus der Straßenbahn drängen sich die Menschen wie immer sofort alle in die Bahn hinein, bevor ich auch nur einen Millimeter Richtung Türe fahren kann. Aha, denke ich, es ist alles wie immer, auch im Jahr 2015 haben die Menschen in diesem Punkt noch nichts dazugelernt. Aber eigentlich hat dieses Verhalten ja schon Tradition und mir würde doch etwas fehlen, wenn es anders wäre 🙂

Bahnfahrt

Dichtes Gedränge wie immer: Unterwegs im ÖPNV

Dann geht’s schnell in Richtung Geburtstagskind und als ich ins Ziegler hineinfahre, bin ich positiv überrascht: Sie wurde etwas umgebaut und anders eingerichtet: Gechillte Stimmung, keine Höllenlautstärke und schöne Sitzeinheiten, zwischen denen genügend Platz ist. Für einen E-Rollstuhlfahrer ein kaum zu überschätzender Faktor. Ich fühle mich direkt richtig wohl. Das WC hätten sie zwar auch umbauen können, aber ich komme zumindest hinein und kann mein Geschäft erledigen.

Irgendwann fällt mir ein Mann auf, der von Tisch zu Tisch schlendert und mit allen Gästen einen netten Small-Talk hält. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob es der Inhaber ist, aber scheinbar hat er dort etwas mehr zu sagen. Dann kommt er zu mir und lacht mich freundlich an: „Wahnsinn, was fährst du denn für eine geniale Maschine, das ist ja ein Hammer-Teil!“ Mit einem Leuchten in den Augen deutet er auf meinen fahrbaren Untersatz und ich bin mir im ersten Moment nicht sicher, ob er die ganze Sache ernst meint. Aber egal, es ist ja gut, wenn die Leute von mir Notiz nehmen und mich ansprechen. Mit ein bisschen Stolz stimme ich ihm zu. „Echt genial, kannst du den Rollstuhl selber bewegen und wie funktioniert das alles?“, will er wissen. Und es ist ihm scheinbar wirklich wichtig. Also erkläre ich ihm auf die Schnelle, wie der Hase läuft und was mein Super-Rollstuhl alles drauf hat. Dann die nächste Frage: „Was hat der denn gekostet?“ „Naja, um die 30.000…“, lasse ich ihn wissen und kann mir ein leichtes Grinsen nicht verkneifen. Er ist sichtlich beeindruckt und würde mir am liebsten noch einen Drink spendieren. Man hat ja schließlich nicht jeden Tag „etwas speziellere Gäste“. Auch meinem Kumpel, der ebenfalls im Rollstuhl sitzt, klopft er wohlwollend auf die Schulter: „Einfach klasse, eure Runde!“

Unfall

Allround-Talent: Mein E-Rollstuhl umschifft jede Hürde.

Als er dann seinen großen Hund anschleppt und meint, er würde mir damit eine Freude machen, muss ich allerdings energisch protestieren: „Bitte nicht, lassen Sie mir dieses Vieh vom Leib!!“ Ich war noch nie der große Fan von Haustieren, aber solche großen Exemplare sind einfach überhaupt nichts für mich. Er ist zwar etwas enttäuscht, wünscht mir aber das Allerbeste, als er mich verabschiedet. Auf jeden Fall ein lustiger Kerl, der nicht nur neugierig durch die Gegend frägt. So oder so finde ich es richtig erfrischend, wenn jemand ganz ungezwungen etwas über meine Erkrankung wissen möchte. Viel besser als wenn die Leute einen nur anschauen und mit weit offenem offen stehendem Mund an einem vorbeischleichen.

super-Rollstuhl

Geht nicht gibt’s nicht: Der E-Rolli ist in alle Richtungen verstellbar.

Aber das sollte es an diesem Abend noch nicht gewesen sein: Als ich in Edingen aussteige, spricht ein junger Mann, etwa Mitte 20, mit Blick auf mich meinen Helfer an: „Was ist denn mit ihm passiert?“ „Du kannst ihn ja direkt selber fragen“, gibt der daraufhin zurück. Also frägt er mich und wirkt dabei nicht einmal erschrocken. Er dachte wohl wirklich, mich hätte es ein bisschen härter erwischt. Meine Güte, liegt ja durchaus im Bereich des Möglichen, deshalb kann ich ihn sogar verstehen. Ich erkläre ihm in kurzen Sätzen, was ich für eine Krankheit habe und meine dann noch zu ihm: „Und übrigens, noch ein frohes neues Jahr!“ Er lächelt mich an und läuft weiter. Sympathischer junger Kerl, der den Mut hatte, meinem Helfer anzusprechen, weil er es einfach nicht besser wusste.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Die Inklusion scheint gaaaanz langsam doch erste Früchte zu tragen.

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Einfach nur Fragen.