Der etwas andere Start ins Studium

Ich habe mir schon lange vor dem Abitur Gedanken gemacht, wie es weitergeht, das heißt wo und was ich studieren werde. Denn es war klar, dass ich Einiges vorher abklären musste. Wer übernimmt die Pflege, gibt es rollstuhlgerechte Wohnungen, ist die Stadt rollstuhlfreundlich und das Wichtigste, kann ich mein Wunsch-Studienfach wegen der Gebäudezugänglichkeit studieren? Das waren für mich die drängendsten Fragen. Um es kurz zu machen: Ich habe mich letztendlich für die Kombination Geschichte und Politikwissenschaft in Heidelberg entschieden, nicht zuletzt dank zweier sehr engagierter Vertrauensleute, dem Fachstudienbeauftragten und dem Behindertenbeauftragten. Ohne Umbaumaßnahmen im Historischen Seminar wäre für mich ein Studium unmöglich gewesen. Beide haben mich aber hervorragend unterstützt und schließlich wurden Rampen gebaut, sodass ich problemlos durchs Gebäude flitzen konnte. Und so muss das sein: Engagiert und unkompliziert.

Überhaupt kommt mir während des gesamten Studiums viel Verständnis seitens der Dozenten entgegen. Nur ein alter Professor interveniert empört, da ich seine Vorlesungen für meine Nachbereitung aufzeichnen möchte. Aber der Reihe nach: Das Studium beginnt mit der Ringvorlesung für Studienanfänger „Einführung in die Politikwissenschaft“. Die Aula der Neuen Universität ist völlig überfüllt und ich muss mich mit meinem Helfer an einen freien Platz durchkämpfen. Es ist eine riesige und nicht immer einfache Umstellung von der kleinen, gut behüteten Schule zum Massenbetrieb Universität. Dafür sind die Kommilitonen meist sehr hilfsbereit, wenn ich einen Mitschrieb kopieren will oder ähnliches. Das Knüpfen von Kontakten mit Kommilitonen will nicht so richtig klappen. Natürlich haben einige Berührungsängste, aber es liegt eher an den Bedingungen, die meinen Studiumsalltag bestimmen. Da ich nicht so lange sitzen kann, komme ich eigentlich nur zu den Vorlesungen und Seminaren, fahre danach mit dem Taxi wieder zurück. Am schwersten wiegt, dass ich nicht in die Mensa gehe, dem Hauptgesprächsort für studienrelevante Themen und Dinge, welche die Studenten bewegen. Viele Studenten können so viel leichter eine Beziehung zueinander aufbauen, wenn sie mehr oder weniger den ganzen Tag miteinander verbringen.

Dass bei manchen meiner Kommilitonen doch recht viel Unsicherheit im Verhalten gegenüber mir zu spüren ist, macht mein erstes Referat im Studium deutlich. Als es um die Vergabe der Referatsthemen und -gruppen geht, möchte fast keiner mit mir eine Gruppe bilden. Letztlich finden sich doch ein paar Kommilitonen, wobei ich nicht gerade die motiviertesten Leute erwische. Ich investiere zunächst mit Abstand am meisten Arbeit in die Vorbereitung des Referats. Als ich am Tag des Referats als erster meiner Gruppe mit dem Vortrag beginne, merke ich schnell, dass die Kommilitonen sehr aufmerksam und interessiert zuhören. Danach klopft mir einer auf die Schulter und teilt mir mit, dass ich einen sehr ansprechenden Vortrag gehalten hätte.

Da ich nicht so schnell reden kann, muss ich besonders darauf achten, nur das wichtigste in meinen Vortrag zu packen. Dies führt dazu, dass meine Referate sehr kompakt ausfallen und es der Zuhörer einfach hat. Den Grundstein für meinen gelungenen Vortrag lege ich am Beginn des Referats: Ich teile den Zuhörern mit, dass ich aufgrund meiner schwachen Atmung nicht so konstant reden kann und mein Vortrag nicht flüssig sein wird. Aber nach vielen vorherigen Referaten, die meistens in geschliffenem  Hochdeutsch heruntergerattert wurden, sind meine Kommilitonen froh, dass sie nun ganz entspannt Satz für Satz von mir anhören dürfen.

Meine persönliche E-rkenntnis des Tages: Aller Anfang ist schwer, aber spannend!

Die E-Gebrauchsregel des Tages: Studenten im E-Rollstuhl sind Studenten wie jeder andere, nur etwas anders!